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Archiv-Artikel

Amt droht wegen 18 Euro

Weil seine Miete nicht „angemessen“ ist, will die Agentur für Arbeit einen ALG II-Bezieher in eine günstigere Wohnung drängen. „Unsensibel und unsozial“, kritisiert der DGB

Von ksc

GÖTTINGEN taz ■ Das Grauen kommt in diesen Tagen gleich vieltausendfach per Post nach Hause: „Unverzüglich“ solle er sich um eine Senkung seiner „Unterkunftskosten auf das angemessene Niveau“ bemühen, schrieb die Agentur für Arbeit an einen Göttinger, der im kommenden Jahr in den Genuss von Hartz IV kommt. Tue er das nicht, sei nach sechs Monaten der „Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen und der angemessenen Miete von Ihnen zu erstatten“, heißt es weiter – also von den 345 Euro, die dem Langzeitarbeitslosen ab Januar zustehen. Der Mann dürfte kein Einzelfall sein: Die Solidarische Hilfe rechnete vor, dass allein in 10.000 Bremer Haushalten ab Januar die Mietkosten über den regional unterschiedlichen Regelsätzen liegen. Nach Ende der halbjährigen „Schutzfrist“ bleibe den Betroffenen nur: Umzug oder selber zahlen.

Was ist „angemessen“? Die Wohnung des Göttingers kostet derzeit 263,34 Euro Kaltmiete, das sind der Agentur genau 18,34 Euro zu viel. „Völlig unsensibel und unsozial“, findet der DGB, der den Fall publik gemacht hatte, diese Korinthenkackerei. Häufig sei betont worden, dass „nur in Ausnahmefällen mit Umzügen zu rechnen“ sei, ärgert sich der Göttinger DGBler Sebastian Wertmüller. Jetzt reichten „18 Euro aus, um Arbeitslose, die durch Hartz IV schon viel Geld verlieren, aus ihrer Wohnung zu drängen!“ Nicht nur das: Die Agentur forderte in dem Schreiben außerdem monatliche Nachweise, dass sich der Arbeitslose um eine günstigere Bleibe kümmere. Der Aufwand für die monatliche Kontrolle übersteige die 18 Euro bei weitem, die „Umzugskosten die bemängelte Überschreitung um ein Vielfaches!“, sagte DGB-Mann Wertmüller.

Allein in Göttingen erhalten bis zum Jahresende etwa 3.000 Arbeitslosenhilfeempfänger Bescheide über ihr Arbeitslosengeld II. Wenn nur zehn Prozent von ihnen durch Hartz IV mit ihrer aktuellen Miete über den Wohngeldsätzen lägen, gebe es in „Göttingen ein Problem auf dem Wohnungsmarkt, insbesondere im unteren Preissegment“, wetterten die Göttinger Grünen. Wenn sich die Bundesagentur weiter an der bislang für Sozialhilfeempfänger üblichen Praxis orientiere, drohe der Stadt „eine kleine Völkerwanderung in soziale Brennpunkte“.

Von einem „Versehen“ sprach indessen Agenturleiterin Marianne Gersdorf. Das Schreiben habe erst später verschickt werden sollen. Damit es bei der Umstellung auf ALG II zum Jahreswechsel nicht zum „Chaos“ komme, habe die Agentur einmalig die Aufgabe der Kommunen übernommen, den „angemessenen“ Unterhalt zu prüfen. Dabei habe man die bislang für Sozialhilfebezieher gültigen Regelungen und Formulierungen benutzt. Und: Es sei doch „nur fair, dass wir den Antragssteller darauf hinweisen, dass es ein Problem geben könnte“.

ksc