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Archiv-Artikel

Die Urkreativen auf der Suche

IDENTITÄT Bremens „Angewandte KünstlerInnen“ sind gut vernetzt und hoch kreativ – aber nach wie vor auf der Suche nach Raum und Selbstverständnis

Von Händen und Künsten

Bremen hat die größte Dichte an Kunsthandwerkern im deutschen Großstadtvergleich. 50 von ihnen, die im Verband „Angewandte Kunst Bremen“ organisiert sind, präsentieren ihre Werkstätten jetzt in dem Buch „50 machen“. In der Unteren Rathaushalle sind bis Sonntag Arbeitsprozesse aus allen Gewerken zu sehen. Der Verband, der seine Mitglieder nach strengen Kriterien per Mehrheitsvotum aufnimmt, wurde 1959 im Focke-Museum gegründet. Die Podiumsdiskussion zum aktuellen Selbstverständnis findet heute um 19 Uhr im Rathaus statt. HB

Der Kulturstaatsminister geht in die Vollen: Die „angewandte Kunst“, von schlichteren Gemütern „Kunsthandwerk“ genannt, sei „der älteste Zweig der Kultur- und Kreativwirtschaft“, die in Deutschland 124 Milliarden Euro im Jahr umsetze. Und Bremen, betont Bernd Neumann, habe trotz seiner Kleinheit einen der aktivsten Landesverbände.

Dies höchstministerliche Urteil speist sich keineswegs nur aus lokaler Verbundenheit: In der Tat weist der hiesige AKB, der gerade sein 50-jähriges Bestehen feiert, ein für Individual-Unternehmer bemerkenswertes Maß an kreativer Gemeinschaftsvermarktung auf. Die Werkstatt-Routen durchs Viertel beispielsweise ermöglichen kompakte Einblicke in die Arbeit von Instrumentenbauern, Tischlern, Graveuren, Buchbindern oder die der „Schmuckis“, der zahlenmäßig relativ großen Fraktion der Gold- und Silberschmiede. Dennoch ist Bremen keineswegs ein Paradies für Kunsthandwerker.

Denn trotz Sparkassen-Engagement und Papendieck-Preis erfahren sie andernorts wesentlich mehr konkrete Unterstützung: In Oldenburg sorgt die Werkschule, in Hamburg das Museum für Kunst und Gewerbe für Vernetzung und Öffentlichkeit. Und Hannover beispielsweise hat eine eigene Fachreferentin, die unter anderem den Kunsthandwerkermarkt organisiert. Und in Bremen? Da verloren die angewandten Künstler kürzlich die Crusoe-Halle in der Böttcherstraße als Ausstellungsquartier auch außerhalb der Weihnachtssaison. Die Schließung der dortigen „Galerie für Angewandte Kunst“ aus Kostengründen wurde im Branchenmagazin als „Verlust für die gesamte zeitgenössische Kunst in Deutschland“ gewertet.

Hoffnung macht Frauke von der Haar als neue Focke-Direktorin: Durch sie könnte wieder mehr Unterstützung aus dem Haus kommen, das immerhin das Gewerbemuseum zu seinen historischen Wurzeln zählt.

Freilich plagen sich die Aktiven auch mit höchsteigenen Identitätsproblemen: Es ist noch gar nicht so lange her, dass der AKB seine Abkürzungsinitialen umdefinierte: Statt für „Arbeitsgemeinschaft Kunsthandwerk Bremen“ stehen sie jetzt für „Angewandte Kunst Bremen“. Nun, zum Jubiläum, wird wiederum die Forderung laut, die Kunst ganz aus dem Titel zu streichen. Zu diesem Thema werden sich heute Abend unter anderem von der Haar und Manfred Lehmann-Most, Vorstand des Bundesverbands Kunsthandwerk (siehe Kasten), die Köpfe heiß diskutieren. Henning Bleyl