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Archiv-Artikel

Kinder bleiben weltweit Kriegspartei

Weltbericht zu Kindersoldaten 2004: Weniger Kinder in Kriegen, aber weiterhin kaum Fortschritte bei der Durchsetzung des UN-Verbots der Kindersoldatenrekrutierung. Besonderes Problem: Demobilisierung

BERLIN taz ■ Die Zahl der Kindersoldaten auf der Welt sinkt leicht, aber nach wie vor werden die Rekrutierung und der Einsatz von Minderjährigen in Kriegen nicht effektiv verhindert oder bestraft. Dies ist das Fazit des Weltberichts zu Kindersoldaten 2004, der gestern von der „International Coalition to Stop the Use of Child Soldiers“ veröffentlicht wurde. Der Bericht dokumentiert die Entwicklung des Kindersoldatenwesens seit 2001.

„In Afghanistan, Angola und Sierra Leone endeten Kriege, die Folge war die Entlassung von mehr als 40.000 Kindern“, bilanziert der Bericht. „Gleichzeitig wurden jedoch bis zu 30.000 Kinder in neue Konflikte in der Elfenbeinküste und Liberia hineingezogen.“ Eine Gesamtzahl der Kindersoldaten auf der Welt wird nicht genannt.

Mindestens zehn Regierungen setzten im Zeitraum 2001–2004 Kinder an vorderster Kriegsfront ein – genannt werden Birma, Burundi und die Demokratische Republik Kongo. In mindestens 60 Ländern hätten bewaffnete Gruppen Minderjähriger angeworben. Außerhalb von Konfliktzonen setzten mindestens 60 Länder die Rekrutierung von 16- oder 17-Jährigen fort, darunter auch Deutschland.

Der Bericht weist darauf hin, dass jenseits des Einsatzes in Armeen oder Rebellenbewegungen Kinder auch in Bürgerwehren und Milizen dienen. Tschetschenien, Indien, Indonesien und Birma verweigerten unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern den Zugang zu umkämpften Regionen, was das Sammeln von Informationen über Kindersoldaten verhinderte.

Nicht ausgeblendet wird der Umstand, dass viele Kinder sich freiwillig melden. Unter Bezug auf eine Untersuchung des UN-Büros der Quäker wird betont, dass viele Jugendliche damit vor Gewalt in der Familie flüchten oder eine Ausbildung, Geld oder einen höheren sozialen Status suchen. Dies stellt ein Problem dar, wenn nach einem Friedensschluss Bürgerkriegskämpfer demobilisiert werden. Für Minderjährige – vor allem Mädchen, behinderte Kinder oder die Kinder von Kindersoldaten – geht das oft schlecht aus. „Wenn die internationale Gemeinschaft Geld zur Demobilisierung von Kindersoldaten anbot, wurden Kindersoldaten während der Friedensverhandlungen zum Faustpfand für ihre Kommandanten“, so der Bericht. „Beispielsweise legte sich die SPLA in Sudan einen ‚Kindervorrat‘ an, um Demobilisierungsunterstützung von Unicef zu erhalten.“

Dass am 12. Februar 2002 das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention in Kraft trat, das den Einsatz von Kindern als Soldaten verbietet, hat die Lage nicht unbedingt verbessert. Die Ratifiziererstaaten DR Kongo, Liberia, Ruanda, Uganda, Afghanistan, die Philippinen und Sri Lanka „haben ihre rechtlichen Verpflichtungen nicht eingehalten“, so der Bericht.

Strafmaßnahmen dagegen waren bisher im UN-Sicherheitsrat nicht durchsetzbar. Der Bericht verweist nun auf den Internationalen Strafgerichtshof, der die „Einziehung oder Aufnahme von Kindern unter 15 Jahren in die nationalen Streitkräfte oder bewaffneten Gruppen oder ihren aktiven Einsatz bei Feindseligkeiten“ als Kriegsverbrechen verfolgen kann. Dadurch werde er zum Hoffnungsträger für die mögliche Durchsetzung des Verbots von Kindersoldaten.

DOMINIC JOHNSON