: „Man muss ständig kämpfen“
Eine ungewöhnliche Tagung hat die VHS an diesem Wochenende veranstaltet: „Behinderte in die Medien!“ Die Tagung zeigte: Es ist sehr schwer, aber nicht unmöglich
Bremen taz ■ Das Ausrufungszeichen hinter dem Tagungstitel war Programm. „Behinderte in die Medien!“ hieß die Fachtagung, die die Bremer Volkshochschule (VHS) am Wochenende im Waller Medienzentrum veranstaltet hat. Geladen war ein illustrer Kreis von ExpertInnen: Vertreter des Arbeitsamtes, Behindertenvertrauensleute sowie behinderte JournalistInnen und Medienschaffende. Impulse sollten sie geben für ein Ausbildungsprojekt, das die VHS gemeinsam mit dem behinderten Filmproduzenten Jürgen Hobrecht im November 2004 starten will. In einem zweijährigen Lehrgang sollen behinderte und nichtbehinderte Menschen mit viel Praxisnähe zu Cuttern und Videoeditoren ausgebildet werden. Denn gerade für behinderte Menschen, so Organisator und VHS-Medienreferent Wilfried Burger, seien viele Medienberufe geeignet: Sie könnten zum Großteil im Sitzen ausgeübt werden, und besonders die neuen digitalen Schnittprogramme ließen sich auf viele Behinderungsarten adaptieren.
Davon profitieren Autoren wie Franz-Josef Hanke. Hanke ist freier Journalist für verschiedene Tageszeitungen, macht Hörfunkbeiträge für den hessischen Rundfunk und den Deutschlandfunk. Er ist blind. Auf die Frage, wie denn ein Blinder bloß Berichterstatter sein könne antwortet er: „Weil er mit dem Kopf arbeitet.“ Seine ArbeitsassistentInnen, oft StudentInnen mit Interesse am Medienberuf, führt er en passant in die journalistische Arbeit ein. Wie Hanke machen viele behinderte JournalistInnen und AutorInnen ihre „Not“ zu einer Tugend. Schließlich haben sie oft einen anderen Blick auf Themen, von denen die Medien profitieren können. „Anderssein ist eine Bereicherung“, meint Hajo Prassel, rollstuhlfahrender Hörfunkjournalist beim Hessischen Rundfunk. Dass eine Behinderung bei einer Medienkarriere nicht im Weg stehen muss, zeigt Florian Seelmann-Eggebert: Nach seinem Unfall eröffnete der Querschnittsgelähmte das erfolgreiche Internet-Portal Startrampe und betreibt nun eine Fernsehproduktionsfirma.
Doch die Hürden für einen Einstieg in Medienberufe sind nach wie vor hoch. So gibt es nur etwa 30 bis 40 blinde und sehbehinderte MedienpraktikerInnen in Deutschland. Für anders körperbehinderte Menschen dürften die Zahlen ähnlich niedrig liegen – obwohl die Arbeitsämter einen Medienarbeitsplatz für Behinderte mit bis zu 70 Prozent der Kosten fördern. Doch in der krisengeschüttelten Medienbranche kommen derzeit viele unter die Räder – und da haben es Behinderte doppelt schwer. „Man muss ständig kämpfen und immer ein Stück besser sein als die anderen“, resümiert Hanke seine 14-jährige Berufserfahrung. Dennoch mangelt es den Personalchefs oft an Phantasie, wie Barrieren ausgeglichen werden können.
Das von der VHS und Hobrecht vorgeschlagene Ausbildungsprojekt blieb unter den TagungsteilnehmerInnen trotz des Bedarfs an neuen Zugängen zu den Medien umstritten. Die Integrationsfirma, die den Rahmen für die Ausbildung bieten soll, könnte, so die Befürchtung, trotz hoher Qualitätsforderungen an die Teilnehmer, bald durch die Härten des Marktes wieder untergehen. Rebecca Maskos
Rebecca Maskos macht gerade ihr Diplom in Psychologie. Danach möchte die hin und wieder als freie Autorin tätige 28-Jährige mit ihrem Rollstuhl in die Medienwelt rollen – wenn die Barrieren dafür nicht zu hoch sind.