Die pure Lust

Der FC Barcelona präsentiert sich als echtes Team und schlägt die Einzelspieleransammlung von Real Madrid 3:0

Barcelona taz ■ Der Ball rollte auf das Tor Real Madrids zu und gleich würde ihn Fänger Iker Casillas aufnehmen. Das zumindest dachte Verteidiger Roberto Carlos, der der Kugel hinterher trabte. Doch plötzlich tauchte Samuel Etoo auf. Der Stürmer des FC Barcelona raste an Carlos vorbei, spitzelte den Ball um Casillas herum und legte ihn lässig im Tor ab. Der Rest war Lärm. Die 99.000 Menschen im Stadion schrien vor Glück.

83 Länder übertrugen den ewigen Klassiker live, mehr als 800 Journalisten kabelten die Ereignisse aus dem Camp Nou in alle Richtungen. Und dann also Etoos 1:0 (28.), von dem sich der Lieblingsfeind aus der Hauptstadt nicht erholen sollte. Van Bronckhorst erhöhte kurz vor der Pause auf 2:0, und Ronaldinho verwandelte eine Viertelstunde vor Schluss einen Elfmeter, den Etoo erzwungen hatte, zum 3:0-Endstand. Es war ein erschreckend leichter Sieg des Tabellenführers gegen den Zweiten. Die Madrilenen schossen kein einziges Mal zwischen die drei Stangen. Das einst gefürchtetste Ensemble im Weltfußball wurde vorgeführt. „So zu gewinnen, in dieser Atmosphäre und in diesem Stil, das ist schon sehr schön“, sagte Mittelfeldmetronom Xavi, während Joan Laporta von einem „großen Tag“ sprach und an Mannschaft und Publikum „eine eins mit Stern“ verlieh. Der junge Rechtsanwalt trug als Glücksbringer dieselbe Krawatte wie am Tag, an dem er die Präsidentenwahl gewann. Samstagnacht hat sich ein Kreis geschlossen, denn vor anderthalb Jahren war Laporta mit dem Versprechen angetreten, Barça endlich wieder an die Spitze Spaniens und Europas zu führen. Zwar ist noch kein Titel gewonnen, doch der Triumph gegen den verhassten Krösus aus der Hauptstadt bedeutet eine Zeitenwende. Etoos Tor nach dem Fehler von Carlos war dabei ein Moment, der auch die Politik beider Klubpräsidenten versinnbildlichte. Real-Boss Florentino Perez verlängerte kürzlich den Vertrag des Brasilianers, obwohl dessen beste Zeit vergangen ist, und schob den jungen Himmelsstürmer aus Kamerun, groß geworden in der Madrider Nachwuchsabteilung, endgültig ab. Ohne sportlichen Plan häufte Perez Superstars an, die gegen starke Rivalen nicht mehr kaschieren können, dass sie keine Einheit bilden. Im Sommer hat der Bauunternehmer seinen Kurs halbherzig zu korrigieren versucht. Für 45 Millionen Euro kaufte er einen überforderten und einen verletzten Verteidiger (Samuel und Woodgate) und führte seinen Scheckheftfußball so nur einen Schritt näher zum Bankrott. Laporta hört dagegen auch auf sportliche Berater und öffnet Talenten wie dem Außenverteidiger Beletti, die Tür. Trainer Frank Rijkaards Kollektiv berauscht durch schnelle Passstafetten, die Angriffslust der Außenverteidiger und die Mobilität seiner drei Angreifer. Und bis jetzt verderben auch keine Eitelkeiten und Egoismen das Klima. Selbst die populären Etoo und Ronaldinho reihen sich ein. Der geniale Brasilianer ging nach dem Schlusspfiff Arm in Arm mit seinem Freund Ronaldo Richtung Kabine. „Wir müssen schnell vergessen“, meinte der wirkungslose Real-Stürmer, schließlich steht am Dienstag eine Partie an, die laut Kapitän Raul „im Gegensatz zu dieser hier schon entscheidenden Charakter hat“. In der Champions League empfangen die Königlichen Bayer Leverkusen. Trainer Garcia Remon zeigte sich „besorgt über die psychologischen Folgen dieser Niederlage“, ein Kummer, den er allerdings mit dem Kollegen Augenthaler teilt, dessen Elf ebenfalls ein 0:3 wegzustecken hat. RALF ITZEL