: Das Ende der Grauzone
SFB und ORB setzten vermehrt auf freie statt feste Mitarbeiter. Nach der Fusion zum RBB will die Intendantin deren Einsatz begrenzen. Die fürchten nun die Freiheit, vor die Tür gesetzt zu werden
VON STEFFEN GRIMBERG
„RBB-Protest“ ist nicht etwa der Arbeitstitel für ein neues bürgerbewegtes TV-Magazin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Sondern eine Basisgruppe in eigener Sache. RBB-Protest (http://rbbprotest.zapto.org) will Druck auf das „inakzeptable Vorgehen der Geschäftsleitung gegenüber den Freien“ machen und Verhandlungen mit Intendantin Dagmar Reim durchsetzen.
Sie hatte sich zum Amtsantritt im Frühling noch eine „Fusion ohne Verlierer“ gewünscht. Doch nicht erst seit dem Spätherbst ist die Stimmung beim aus der Fusion des Sender Freies Berlin mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg entstandenen RBB etwas rauer. Denn vor allem die Freien fühlen sich als Verlierer, die Management-Fehler der Vorgänger-Anstalten ausbaden müssen. „Jahrelang war die Personalpolitik in ORB und besonders SFB zutiefst unehrlich“, heißt es dazu in einer Erklärung von RBB-Protest: „Während Rundfunkräten verkündet wurde, die Zahl der Planstellen sinke fortwährend, wurden gleichzeitig immer mehr Freie Mitarbeiter geheuert, um der immer zahlreicheren Programmaufgaben Herr zu werden.“ Jetzt wolle die Anstalt hunderte dieser De-facto-Festangestellten loswerden.
Hauptstreitpunkt ist derzeit eine „Dienstanweisung für den Einsatz Freier Mitarbeiter/innen beim RBB“, die ab Januar für alle Freien gelten soll. Sie regelt, dass Freie nur eine begrenzte Anzahl von Tagen je Monat für den RBB arbeiten dürfen, da sie sonst wie festangestellte Mitarbeiter zu behandeln wären. Solche „Prognosen“ galten schon bei SFB und ORB. Hier wurden sie aber offenbar nicht sonderlich konsequent umgesetzt. Zudem werden zahlreiche Freie – zum Beispiel ModeratorInnen – über so genannte Rahmenverträge beschäftigt, die die Prognose-Vorschriften aushebeln. „Vor allem der SFB hat hier geschludert ohne Ende, und beide Seiten, Anstalt und Freie, waren zufrieden“, sagt „Abendschau“-Moderator Jan Lerch, einer der RBB-Protest-Verhandlungsführer: „Aber öffentlich-rechtliche Anstalten können nicht jahrelang von solchen Grauzonen profitieren und dann plötzlich sagen: Schluss damit.“
Intendantin Dagmar Reim hatte am Freitag in einem Brief „An alle Freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ bekräftigt, „dass wir für diejenigen, die – teilweise langjährig – derzeit für unser Haus tätig sind, einzelfallbezogene Lösungen finden werden. (…) Die hierfür erforderlichen Gespräche, die in der künftigen Dienstanweisung als ‚Verständigungsverfahren‘ bezeichnet werden (…) haben bereits begonnen.“ Solche Einzelfallregelungen lehnt RBB-Protest aber ab. „Das ‚Verständigungsverfahren‘ ist weiterhin der Hebel, mit dem Justitiar und Personalchef aus ihrer Sicht missliebige, rechtlich problematische und überzählige freie Mitarbeiter auf die Straße setzen können“, hieß es am Montag in einem offenen Brief von RBB-Protest an Dagmar Reim.
Eine von mehr als 250 freien Mitarbeitern besuchte Vollversammlung hatte vergangene Woche neben einer „Rücknahme der Dienstanweisung“ die Zusage der Geschäftsleitung, einen „Tarifvertrag zu verhandeln, der auf Sperrzeit und Prognose verzichtet“. Zu den für 2004 anstehenden Tarifverhandlungen ist die RBB-Spitze bereit – und sieht offenbar darüber hinaus raschen Handlungsbedarf: „Angesichts der erheblichen Verunsicherung“ hat sie ihre eigene Informationsveranstaltung für die Freien auf den morgigen Donnerstag vorverlegt.