Lolles Drehbuchschreiber

David Safier ist der Autor hinter der Fernsehserie „Berlin, Berlin“, die gerade in den USA einen Emmy abgeräumt hat

Es gibt da dieses Lied von Leonard Cohen, das man ja schon immer irgendwie erstaunlich fand: „First we take Manhattan. Than we take Berlin.“ David Safier hat es nun andersherum gemacht, und das findet man noch viel erstaunlicher. Erst hat er mit der von ihm konzipierten Vorabendserie „Berlin, Berlin“ die Berliner Fernsehrepublik erobert – Grimme-Preis 2003. Und nun stand er also Montagnacht im New Yorker „Hilton Hotel“ neben dem Produzenten Holger Ellermann und dem NDR-Redakteur Bernhard Gleim auf dem Podium, um den wichtigsten Fernsehpreis der USA in Empfang zu nehmen. Ein Emmy für Lolle als beste nichtamerikanische Comedy! Wie schön. Wo man sich über deutsche Serien ja sonst eher die Haare raufen kann.

In der Tat ist David Safier einer der wenigen deutschen Drehbuchautoren, denen man zutraut, zumindest den Anschluss an die Qualitäten amerikanischer oder britischer Serien halten zu können. Sein Lebenslauf liest sich für einen Autor mit solch komischen Qualitäten geradezu langweilig geradlinig. 1966 in Bremen geboren. Erste Berufserfahrung ab 1989 bei Radio Bremen. Das elektronische Archivsystem dieser Zeitung verzeichnet 22 Artikel von ihm, 1990 hat er bei der taz bremen ein Praktikum gemacht. Dann Moderatorentätigkeit im Radio und Entwicklung von Hörspielen für verschiedene ARD-Anstalten. 1996 schließt er ein Volontariat bei Radio Bremen ab. Von da an Drehbücher für Fernsehserien, unter anderem für „Die Camper“, „Drei mit Herz“ und „Mein Leben und ich“. Während Privatsender gerne mal im Trial-and-Error-Verfahren Praktikanten in mögliche Starmoderatorenpositionen katapultieren, hat Safier die gute, alte öffentlich-rechtliche Schiene durchlaufen: von der Pieke auf. Muss ja nicht alles schlecht sein, nur weil es Gebühren kostet.

Seine Autorenqualitäten lassen sich anhand seiner Figur der Lolle, der Hauptfigur aus „Berlin, Berlin“, gut studieren. David Safier versucht, den Humor lebensweltlich zu verorten und aus den Figuren selbst zu entwickeln. Hört sich einfach an, aber die meisten anderen Serienautoren machen was anderes: Sie entwerfen Figuren am Reißbrett. Nicht so David Safier. Was für eine konzeptionelle Arbeit bei ihm hinter seinen Büchern steckt, wird einem sofort klar, sobald man mit ihm redet: Der Mann nimmt seine Figuren absolut ernst und hat zudem einen Heidenrespekt vor der Kompliziertheit des ganz normalen Zusammenlebens.

Ein „Stehaufmädchen“ (Safier), das immer wieder versucht, das Richtige zu tun, und damit immer wieder auf dem Bauch landet – so wurde Lolle von ihm konzipiert. Emanzipation! Selbstverwirklichung! Große Wörter. Wenn man „Berlin, Berlin“ sieht, kann man erstens eine Ahnung davon kriegen, dass die tatsächlichen Probleme erst anfangen, wenn man mit solchen Allgemeinbegriffen keine Probleme mehr hat. Und zweitens, dass diese lebensweltlichen Probleme auch die wirklich interessanten sind. DIRK KNIPPHALS