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Archiv-Artikel

Robin Alexander über SCHICKSAL Neulich, besoffen im Puff …

Vergesst Kinder und Rapsölautos! Das ist eine richtige Männerkolumne. Hier wird noch gesoffen und gegrölt

Neulich schrieb ich für diese Zeitung einen Text, in dem eher zufällig das Wort „Kinderwagen“ auftauchte. Mann, gab das Ärger!

Nun klingt „Kinderwagen“ ja erst mal eher harmlos, aber wie immer kommt es auf den Kontext an. Der Kontext ist nicht zu verwechseln mit dem Text. Der handelte nur von so harmlosen Dingen wie Rassismus, Islamismus und Terrorismus. Daran hatte niemand etwas auszusetzen.

Aber am Kinderwagen. Ich wurde scharf verwarnt:

„Jetzt fang du bloß nicht auch noch an!“, herrschte mich eine Kollegin beim Mittagessen an.“

„Womit?“, fragte ich arglos.

„Alle Männer schreiben nur noch über ihre Brut oder rapsölgetriebene Ökoautos oder beides! Das ist ja immer superlustig und soooo nett. Aber ich kann es nicht mehr lesen!“

Das hat mich schon getroffen, weil die Kollegin eigentlich zu den charmanten und klugen gehört. Auch in diesem Fall hat sie wohl leider Recht: Die Befreiung von den klassischen Geschlechterrollen hat dazu geführt, dass die Autorinnen sich mit Sex, Lügen und Videos als Flittchen oder Flintenweiber ausstaffieren müssen, während die Autoren einfach nur freundlich und kinderlieb sein dürfen.

Aber nur lieb nervt natürlich auch. Deshalb hier auf Wunsch einer einzelnen Dame wieder einmal eine richtige Männerkolumne. Minderjährige, Zartbesaitete und schwangere Frauen müssen an dieser Stelle aufhören zu lesen. Jetzt kommen die scharfen Sachen.

Also: Neulich als ich meine Frau prügelte, klingelte plötzlich … nee, Quatsch. War natürlich nur Spaß. Ich fange noch einmal an: Neulich, besoffen im Puff … Tschuldigung. Geht schon wieder. Also: Neulich kommen zwei Kollegen meiner Freundin vorbei. Die wohnen in Sachsen und übernachten bei uns, weil sie ein Radiofeature in Berlin aufnehmen. Oft handeln ihre langen Radiostücke von Schicksalen in der DDR. Und die DDR kommt dabei nicht so gut weg. Bei Bratkartoffeln reden wir darüber, welche charakterlichen Deformationen schon im Kommunismus in seiner Bewegungsform angelegt waren. Dazu gibt es Bier und irgendwann kommt die Wodkaflasche aus ihrem Eisfach, setzt sich zu uns und bestimmt auch schnell das Niveau unseres Gesprächs.

Als wir kurz davor sind, eine Reise nach London zu planen, um Karl Marx auszugraben und ihm in den Hintern zu treten, erblickt einer der Gäste eine kleine, silberne Spieluhr, die seit Jahr und Tag bei uns im Bücherregal steht. Sie spielt die Internationale, aber nur sehr leise.

Dachte ich. Denn einer unserer trunkenen Antikommunisten nimmt sie aus meiner schwankenden Hand, stellt sie auf den Holztisch und leiert die kleine Kurbel. Plötzlich ist das Ding laut. Sehr laut.

– „Es kommt auf den Resonanzkörper an“, sagt er triumphierend: „Wie es auf das Volk ankommt, nicht auf die Theorie.“

Dann dreht er wieder und singt WACHT AUF, VERDAMMTE DIESER ERDE, DIE STETS … Sein Kollege und ich grölen mit.

Die Verdammten wachen tatsächlich auf, klopfen an die Wand und rufen irgendetwas von „Nachtruhe“ und „woanders saufen“. Das bringt uns schnell wieder zur Vernunft. Wir verabschieden endgültig Wodkaflasche und Kommunismus, und nur noch einmal, kurz bevor wir schlafen gehen, stimmt der eine Ossi eine Hymne an: einen Funny-Van-Dannen-Song, der es wahrlich mit der Internationale aufnehmen kann:

„Aber das Beste ist immer noch:

Saufen. Saufen. Saufen./

Saufen. Saufen. Saufen./

Saufen. Fressen und Ficken./

Und die Kinder zum Bierholen schicken …“

Ups. Da ist es wieder passiert.

SCHICKSAL - Fragen an den Mann?

kolumne@taz.de

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