Bleibegeld für junge Familien

Das Revier vergreist. Zehntausende Jung-BürgerInnen wandern ab. Ruhr-Städte locken mit zusätzlicher Unterstützung

RUHR taz ■ Friedhofsruhe statt Kindergeschrei, Seniorenresidenz statt Jugendheim und Chormusik statt Popkonzert. Dem Ruhrgebiet steht eine alte Zukunft bevor. Wenn bis 2005 über 130.000 Menschen abgewandert sein werden, bleibt im Revier eine überalterte Gesellschaft zurück. Nach Prognosen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung werden bis 2015 weitere 374.000 vor allem junge EinwohnerInnen, das sind über sieben Prozent, der Region den Rücken kehren. Dann leben hier nur noch ungefähr 4,5 Millionen Menschen, eine Million weniger als noch 1992.

„Das Ruhrgebiet vergreist“, sagt Raumplaner Dirk Drenk aus Dortmund. Wenn die Innenstädte nicht bald grüner, attraktiver und familienfreundlicher werden, nehmen junge Menschen die Beine in die Hände. Benötigt würden Grünflächen und Parks, Kindertagesstätten und eine gute Verkehrsanbindung. Vor allem gut ausgebildete AkademikerInnen, junge Familien und aufstrebende Mittelschichtler wandern ab. Zurück bleiben alte Menschen und Leute, die es sich nicht leisten können, ihr Glück woanders zu versuchen. In Essen zum Beispiel lebt nur noch in jedem dreizehnten Haushalt ein Mensch unter 18 Jahren.

Die Ruhrstädte wollen ihre jungen BürgerInnen mit Geld an sich binden. Obwohl Essen pleite ist, will die Stadt mit Prämien in Höhe von mehreren tausend Euro junge HauskäuferInnen in die einst größte Ruhrkommune locken, Mülheim versucht für kinderreiche Familien besonders günstiges Bauland auszuweisen.

Doch allein mit dem heimischen Nachwuchs ist die Jugendlücke nicht zu füllen: Im kommenden Jahrzehnt wird die Mehrzahl der jungen Menschen einen Migrationshintergrund haben. Nach Forschungen des Landesamtes für Statistik sind junge ZuwanderInnen die einzige Chance für das Ruhrgebiet, die Vergreisung aufzuhalten.

ANNIKA JOERES