Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Regierung und Opposition kämpfen im Vermittlungsausschuss um die Steuerreform. In der Opposition kämpft zudem Roland Koch gegen einen Kompromiss, Angela Merkel dafür. Mit der Steuerreform hat das nicht viel zu tun

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Jedem, der meinem Rat zuwiderhandelnd den Kannibalenkrempel doch las.

Was wird besser in dieser?

Alle halten sich endlich dran.

Die Hanauer Atomfabrik nach China, ein AKW nach Finnland. Jetzt versucht Rot-Grün im Krisengipfel die Scherben aufzusammeln? Wieso ist Schröder und Fischer jedes Gefühl abhanden gekommen, was sich eine rot-grüne Regierung leisten kann?

Schröders Kernidee schon als niedersächsischer Oppositionsführer war: Die Ökos wollen keine rottigen AKWs, die die Umwelt gefährden – und die Eigner keine, die den Umsatz gefährden. Auf diesen kleinen gemeinen Nenner passt die Ausfuhr des Strahlenschrotts noch stets. Die Opposition würde die Dinger behalten und stattdessen den Chinesen einen geschmeidigen Tarif für Gerd und Joschka machen.

Am Mittwoch wird im Vermittlungsausschuss um die Steuerreform gerungen. Die Union will für ihr Ja zwei Zugeständnisse: erstens keine Gegenfinanzierung auf Pump. Was ist davon zu halten?

Richtige Einsicht zum falschen Zeitpunkt. Ehedem schwärmten sie für Reagonomics, also die Überzeugung, dass eine Steuersenkung sich selbst finanziert, weil die Leute mehr Geld zum Spendieren übrig behalten. Damals bestritten das die Sozis, heute die Konservativen.

Zweitens fordert die Union eine Einschränkung des Tarifrechts, damit künftig auch unter Tarif gezahlt werden kann. Gibt es für die CDU bei ihrem Abschied vom Sozialstaat und ihrem „Vergesst-Norbert-Blüm-Furor“ keine Grenzen mehr?

Bisher hat niemand einen direkten Zusammenhang zwischen der Steuerreform einerseits und der Öffnung des Tarifrechts andererseits darlegen können. „Die Leute zahlen weniger Steuern, und deshalb sollen sie auch weniger verdienen“ – dann kann man beides auch lassen. Nein, das willkürliche Junktim drückt die unentschlossene Haltung der Unionsspitzen aus.

Also ist alles nur Show – und wenn die Union regiert, ist von „Kopfpauschale“ und „Zerschlagt die Gewerkschaften“ keine Rede mehr?

Angela Merkels Ticket ist, sich über die ganze Legislatur als heimliche Gegen- und Mitkanzlerin aufzubauen. Dann ist ihr die Kandidatur nicht mehr zu nehmen. Also ist sie letztlich für die Steuerreform, diesen Segen soll man ihr gutschreiben. Roland Koch hingegen meint, dass er nur über einen früheren Zusammenbruch von Rot-Grün drankommt – wenn Merkel noch nicht unumstritten ist. Also satteln die Seinen immer noch mal ’ne Ungenießbarkeit drauf. Seit dem CDU-Parteitag kann man also schon mal heimlich üben, Stoiber nachzutrauern.

Noch ein kompliziertes Thema: Der EU-Konvent streitet weiter über die Machtverteilung zwischen größeren und kleineren Ländern und die Verfassung. Blickt da eigentlich außer dem Fachpublikum noch jemand durch?

Ist doch ganz einfach: Die Bevölkerung wählt ein nationales Parlament; das Parlament einen Kanzler; der Kanzler benennt ein Kabinett; das Kabinett entsendet Kommissare. Diese Kommissare und ein nebenher zusammengewürfeltes Parlament treffen mal eben ein paar Kontinental- und Jahrhundertentscheidungen: fünf Vermittlungsebenen vom Willen der Wahlbürger entfernt. Zuletzt trauten sich ein paar Grüne und der FDP-Desperado Brunner, dagegen zu klagen – sie verloren, Anfang der 90er. Hier ist Wolfgang Thierse beizupflichten, der – neben den Modeparolen gegen Talkshows – auch diese Art Europa für den Niedergang des nationalen Parlamentes verantwortlich macht. Europa entsteht vordemokratisch.

Die Studierenden protestieren – wider Erwarten nicht nur zwei Wochen. Ist das eine neue Bewegung, oder müssen wir Demonstrantinnen mit Prada-Handtäschchen misstrauen?

Aus der öffentlichen Wahrnehmung sind die Hochschulen und die junge Blüte unseres Landes verschwunden, sie existieren nur noch als Pisapummel und Langzeitfaulpelze. Höchste Zeit, dass sie sich zurückmelden.

Bei Sat.1 ist Martin Hoffmann rausgeflogen, der im Ruf steht, ein passables Programm gemacht zu haben. Wird Sat.1 jetzt eher zum Trash-Sender?

Sage noch einer, die Fernsehschaffenden hätten es leichter als etwa die Politiker: kaum tot, schon gut. Manches aus den überraschend löblichen Nachrufen dieser Tage hätte Hoffmann zu Amtszeiten helfen können, mehr Qualität durchzusetzen. Nachfolger Roger Schawinski hat in der Schweiz einen täglichen One-to-one-Talk gemaischbergert, das nehme ich erst mal als gute Referenz.

Und was macht Borussia Dortmund?

60.000 Zuschauer sahen im Westfalenstadion ein begeisterndes 2:0 gegen Juve in der Champions League . Mittwoch, als Galatasaray dort spielte.

FRAGEN: SR