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Archiv-Artikel

Was die UNO im Kongo geheim hält

Die taz enthüllt das zensierte Kapitel des letzten UN-Berichts zur Ausplünderung der Demokratischen Republik Kongo, das sich mit der aktuellen Situation beschäftigt. Demnach werden Geheimarmeen aufgebaut, um den Friedensprozess zu sabotieren

VON DOMINIC JOHNSON

Die Ausplünderung der Demokratischen Republik Kongo, die den Krieg 1998–2003 kennzeichnete, geht auch im laufenden Friedensprozess weiter und bedroht dessen Erfolg. Dies berichtet das UN-Expertengremium zur illegalen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Kongo im nichtöffentlichen Kapitel ihres Abschlussberichts vom 28. Oktober, das damals vom UN-Generalsekretariat aus diplomatischer Rücksichtnahme aus dem Bericht entfernt wurde und das der taz heute vorliegt.

In früheren Berichten hatte das UN-Gremium mehrere rivalisierende „Elitenetzwerke“ genannt, die den Kongo ausplünderten und die Bürgerkriegsarmeen unterhielten. Es gebe im Osten des Landes ein „ruandisches“ und ein „ugandisches“ Netzwerk sowie eins in der Hauptstadt Kinshasa um die damalige Regierung von Präsident Joseph Kabila zusammen mit simbabwischen Interessen. Seit der Bildung der Allparteienregierung im Juli, so die UN-Experten jetzt, „arbeiten eine Reihe von Leuten in den Elitenetzwerken daran, den Friedensprozess und die Regierung der Nationalen Einheit zu untergraben, da sie diese als direkte Bedrohung ihres Überlebens ansehen“. Im Falle des ruandischen und des Kinshasa-Netzwerkes handele es sich sogar um „Schattenregierungen, die eingesetzt werden könnten, sollte die Regierung der Nationalen Einheit scheitern oder zerbrechen“. Auch militärische Vorbereitungen für eine Machtübernahme würden getroffen.

Das „ruandische Netzwerk“, so das UN-Gremium, habe zum Ziel, „große Landstriche im Osten des Kongo unter seinen Einfluss und Kontrolle zu bringen“. Eine Schlüsselfigur dabei sei der Gouverneur der an Ruanda angrenzenden Provinz Nord-Kivu, Eugène Serufuli. Seine Provinzarmee „Local Defence“ sei „eine von mehreren Parallelstrukturen“ zur Wahrung ruandischen Einflusses im Ostkongo. Weiter heißt es, Kongos historischer ziviler Oppositionsführer, Etienne Tshisekedi, der die Allparteienregierung boykottiert, organisiere mit Unterstützung Ruandas in Kongos Diamantenprovinz Ost-Kasai eine neue Rebellion. Eine Miliz von 3.000 Mann stehe schon in der Stadt Lusambo. 42 als Ausbilder vorgesehene Kongolesen seien im Juli zu einem sechsmonatigen Trainingskurs in ein ungenanntes afrikanisches Land gereist, das auch über Ruanda Waffen nach Lusambo liefere.

Finanziert werde dies durch den kongolesischen Geschäftsmann Katebe Katoto und Kabilas früheren Minister Victor Mpoyo. Beide haben, was das UN-Gremium nicht sagt, gute Verbindungen nach Angola. Als weitere Elemente der ruandischen Strategie nennen die UN-Ermittler die während des Krieges zum Mineralienexport aus Ostkongo gegründete Congo Holding Development Company und die von Führern der Hema-Ethnie dominierte Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten) im nordöstlichen Distrikt Ituri. Die UPC solle vor allem die Kooperation zwischen Kinshasa und Uganda stören, dessen Netzwerk sich auf die Wahrung von Handelsinteressen beschränke. Insgesamt sei das ruandische Netzwerk „die ernsthafteste Bedrohung der Regierung der Nationalen Einheit“.

Als ebenso problematisch sieht das Gremium auch die alte Regierung Kabila, das „Kinshasa-Netzwerk“. Es habe sich in der Allparteienregierung gut eingerichtet und sehe sich „als Gastgeberregierung, die ausgewählte Mitglieder anderer Fraktionen zum Beitritt eingeladen hat“. Es „saugt monatlich Geld aus Staatsfirmen“ ab und „kontrolliert weiterhin erhebliche Einnahmeströme aus der Ressourcenausbeutung“ in Verbindung mit „Diebstahl, Unterschlagung und Geldwäsche“. Die Einnahmen würden privatisiert oder zum Aufbau einer Partei verwendet – gemeint ist Kabilas PPRD (Partei für Wiederaufbau und Entwicklung), die 2005 die geplanten Wahlen gewinnen will.

Ähnlich wie das „ruandische“ Netzwerk unterhält das „Kinshasa-Netzwerk“ laut UN-Bericht geheime militärische Strukturen. 2.000 Mitglieder der Präsidialgarde seien vor Amtseinführung der Allparteienregierung abgezweigt und mit Panzern in die Militärbasis Bokana nahe Kinshasa geschickt worden. „Mehrere tausend“ Soldaten der früheren Regierungsarmee seien zudem in zwei ungenannten afrikanischen Ländern stationiert und könnten „als schnelle Eingreiftruppe eingesetzt werden“. Das Netzwerk rüste außerdem diverse Milizen im von Ruanda beeinflussten Osten Kongos aus.

Entscheidend für die weitere Entwicklung, so das UN-Gremium abschließend, sei der Aufbau militärischer Kapazitäten durch die Netzwerke, „ermöglicht durch ein internationales Netzwerk von Herstellern, Händlern und Lieferanten von Waffen“. All dieser „Risiken und Bedrohungen“ müsse sich „die internationale Gemeinschaft bewusst sein, wenn der Friedensprozess vorangehen soll“.

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