: Kein Verein für ein höheres Dasein
Scientology soll in Baden-Württemberg die Rechtsfähigkeit aberkannt werden. Doch die klagefreudige Sekte will nicht bloß als Wirtschaftsunternehmen gelten. Heute wird am Verwaltungsgerichtshof Mannheim verhandelt. Es ist ein Musterprozess
AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH
„Scientology ist ein Wirtschaftsunternehmen und kein Verein.“ Mit diesem Argument hat das Regierungspräsidium Stuttgart der Sekte in Baden-Württemberg den Vereinsstatus entzogen. Doch Scientology wehrte sich vor Gericht – bisher mit Erfolg. Heute verhandelt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim in einem Musterverfahren über die Sache.
Der Vereinsstatus ist in Deutschland für „ideelle“ Zwecke wie Sport, Gesang und Politik reserviert. Wer vor allem Geschäfte betreiben will, muss eine andere Rechtsform wählen, etwa die GmbH oder die Aktiengesellschaft. Dort ist der Schutz der Gläubiger besser ausgestaltet, zum Beispiel durch spezielle Anforderungen an das Mindestkapital oder die Buchhaltung.
Schon 1994 verfügte das Stuttgarter Regierungspräsidium, dass Scientology in Baden-Württemberg kein eingetragener Verein mehr sein darf. Bei der Sekte gehe es vor allem um die Durchführung entgeltlicher Dienstleistungen, prägend sei das Gewinnstreben der Organisation. Neben Hamburg und München gilt Stuttgart als eines der Zentren der Sekte in Deutschland.
Scientology findet es natürlich völlig unpassend, künftig als Wirtschaftsunternehmen zu firmieren. „Eher würden wir als nicht eingetragener Verein weitermachen“, erklärt Sprecherin Sabine Weber – so wie in Düsseldorf, wo der Status bereits 1983 verloren ging. Doch ohne Rechtsfähigkeit könnte man weder ein Vereinskonto führen noch Immobilien besitzen. Und man könnte auch nicht mehr klagen – was bei einer Organisation, die in ständigem Clinch mit der Obrigkeit lebt, ein besonderes Manko wäre.
Bisher läuft der Rechtsstreit gut für Scientology. 1997 stellte das Bundesverwaltungsgericht Maßstäbe auf, die der Sekte gut ins Konzept passen. Demnach liegt kein Wirtschaftsbetrieb vor, wenn ein Verein seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, die „nicht von anderen Anbietern erbracht werden können“. Was konkret für Scientology gilt, müssen nun wieder die unteren Instanzen entscheiden.
Vor vier Jahren erklärte das Verwaltungsgericht Stuttgart die Entziehung des Rechtsstatus für unzulässig. Die Vereinsaktivitäten – Seminare und individuelle Auditings – seien auf die Erlangung einer „höheren Daseinsstufe“ gerichtet. Aus der Sicht der Mitglieder könne ihnen dabei auch kein anderer Anbieter auf dem Markt der Weltanschauungen helfen. Die Richter fanden es außerdem irrelevant, dass die einzelnen Leistungen zu bezahlen sind. Irgendwie müsse sich ein Verein ja finanzieren, es gebe keine Pflicht, das nötige Geld allein über Mitgliedsbeiträge einzuziehen.
Doch das Regierungspräsidium steckte nicht auf und ging – in Absprache mit Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) – in die Berufung. Die heutige Verhandlung vor dem VGH gilt bundesweit als Musterprozess. Ähnliche Verfahren in Karlsruhe und München ruhen derzeit. Das Urteil soll in einigen Tagen fallen. Beobachter rechnen mit einem erneuten Erfolg von Scientology.
Die Sekte hat nach eigenen Angaben derzeit rund 30.000 Mitglieder in Deutschland, laut Verfassungsschutz sind es nur 6.000 Personen. Die Organisation wird seit 1997 in vielen Bundesländern geheimdienstlich überwacht, allerdings mit rückläufiger Tendenz. So stellte etwa Berlin im vorigen Jahr die Beobachtung ein. Verbotsverfahren wurden zwar von Politikern immer wieder gefordert, bisher aber nicht eingeleitet. Umgekehrt ist es Scientology noch nicht gelungen, als „gemeinnützig“ anerkannt zu werden, was steuerliche Vorteile hätte.