: berliner szenen Falsche Heimat
Soundtrack des Lebens
Es war halb acht am Abend, und in der Kneipe lief Ska-Musik aus den 80ern. Wahrscheinlich hatte der Wirt sie wegen uns angestellt. Um uns ein Gefühl von Heimat zu geben, weil er vielleicht dachte, wir hätten solche Musik vor zwanzig Jahren sicher gern und viel gehört und würden bestimmt gerne bei dieser Musik flippern.
Irgendwie war die Musik aber eine Anspielung auf unser Alter, ein versteckter Angriff, dachte ich leicht paranoid; wie eine Schale mit Brei, die man den Alten am Rande hinstellt, weil sie zahnlos sind und zu sehr sabbern. „Opa, ich hab dich lieb“, dachte ich und notierte „glänzendes Lebensenttäuschungsmanagement“ angesichts einer flotten Kugel von M. Wenn man aber genauer auf die Musik hörte, schien sie doch eher aus den 90ern zu kommen, und wenn man Büffel, den freundlichen Wirt, noch einmal anguckte, schien es eher so, dass es seine Musik war, um sich in seine Arbeit einzugrooven. Andererseits passte die Ska-Musik, die weder M., der Ältere, noch ich, der Jüngere, je besonders geliebt hatten, trotzdem zu uns, so als Soundtrack unseres Lebens, dachte ich etwas unlogisch in der irrigen Annahme, das falsche Leben lasse sich angemessen auch nur falsch illustrieren.
In diesem Sinne, also wenn die falsche Umgebung die adäquate Beschreibung unserer selbst ist, war der hintere Raum der Kneipe kurz vor dem Klo der uns angemessene Wellnessraum, exakt auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten. „Am Rande, aber doch dabei“, dachte ich, während Glen Danzig da so herumrockte und wir Flipperfit rauchten, um das Spiel besser vergessen zu können. Dann kam Büffel mit unserem Bier, schaute uns wohlwollend an, und alles war eigentlich okay. DETLEF KUHLBRODT