Die Rechnung ohne den Saal gemacht

Der derzeitige Betreiberverein des Filmkunsthauses Babylon kommt mit dem Etat nicht aus und hat Mietschulden angehäuft; der Kultursenat will Ausschau nach einem neuen Betreiber halten. Dagegen wurde jetzt protestiert

Für ein „Interessebekundungsverfahren“ – zu einem solchen wollte Janko Jochimsen vom Kinoverein den Abend im Babylon gern umwidmen – war es recht bunt. Man zeigte zunächst einen animierten Kurzfilm über eine traurige Tomatenpflanze, die nicht wahrgenommen wird. Ihre leckere rote Frucht fällt in eine staubige Ecke des Zimmers, die der Besitzer nie beachtet. Der verhungert fast vom Resteessen aus der Dose: was für eine hübsche Parabel auf Filmkunst versus doofes Hollywood-Fastfood.

Verwaltungtechnisch ist der Terminus natürlich anders gemeint. Ein solches Verfahren führt der Kultursenat ab sofort durch, um einen neuen (oder den alten) Betreiber für das Filmkunsthaus zu bestimmen. Interesse am Babylon hatten die rund 300 zum Protest Erschienen, allerdings hätten sie wohl auch Interesse gehabt, konkreteres über die Haushaltslage zu hören. Wird es etwa schon zum 1. Dezember geschlossen? Nein, sagt Babylon e. V.

Jedenfalls hat man fast 80.000 Euro Mietschulden angehäuft, bei einer jährlichen Förderung von 320.000 Euro, die aber laut Babylon e. V. fast ganz für Betriebskosten draufgeht. 15.000 Euro Miete zahlt man. Viele Multiplexe zahlen heute nur noch symbolische Mieten und werden trotzdem nicht gekündigt.

Wer beim Kultursenat gegen die Schließung per Mail demonstriert, erhält ein Schreiben zurück. Darin wird darauf hingewiesen, dass man keineswegs das Babylon schließen oder auch nur die Förderung kürzen wolle. Man betont aber, dass die Förderung vor zwei Jahren um 125.000 Euro erhöht wurde. Das war ein Jahr nach der Renovierung des Hauses und Erweiterung um ein neues kleines Kino. Im letzten Jahr gab es zusätzlich noch Mittel vom Hauptstadtkulturfonds.

Seit 2001 hat das Babylon immerhin 520 Plätze. Mit Arsenal- und Zeughaus-Kino ist man damit in einer nicht unproblematischen Konkurrenzsituation. So kommt es leider öfter dazu, dass in dem schön renovierten großen Saal von 1928 nur wenige Zuschauer sitzen. Mit Eintrittsgeldern ist ein anspruchsvolles Programm nicht finanzierbar. Das nicht schlecht besuchte Arsenal erhält denn auch etwa die dreifache Förderung, verglichen mit dem Babylon.

Fragt man Bernd Buder vom Babylon e. V. nach Zukunftsperspektiven, fällt der Glaube an die jetzigen Betreiber nicht leicht. Die Miete sei nicht reduzierbar, Nebenkosten wie Heizung steigen kontinuierlich, schon jetzt liegt man bei rund 21.000 Euro monatlich. Dazu kommen immerhin fünf feste Stellen für Programmplanung und Verwaltung. Außerdem acht studentische Hilfskräfte. Bei der Renovierung mit öffentlichen und privaten Mitteln hat es der Senat offenbar versäumt, eine realistische Miete für das Objekt auszuhandeln.

Die Betreiber sehen derzeit auch kaum Möglichkeiten, das Programm durch Konzerte zu erweitern. Das sei zu aufwändig, weil keine Technik vorhanden sei. Man hat aber die tolle Orgel im Haus. So fragte man sich diese Woche, warum die Band Lambchop in Potsdam einen Murnau-Film vertonte statt in Berlin – was sicher für ein ausverkauftes Haus gesorgt hätte.

Im Moment ist nicht klar, ob sich Babylon e. V. überhaupt an dem Interessebekundungsverfahren beteiligen wird. Denn dann müsste es laut Buder seinen eigenen Vorschlag fürs nächste Jahr untergraben. Man müsste also selbst radikale Sparvorschläge machen, wozu man sich nicht in der Lage sieht.

Am Ende des Protestabends zeigte man einen Kurzfilm über den Abriss des Emelka-Kinos in Augsburg. Stoisch gräbt sich ein Bagger in den Saal. Er wurde im gleichen Jahr eröffnet wie das Babylon. ANDREAS BECKER