: Im Notfall Schokolade essen
Bei den nordischen Kombinierern sind die Ziele in der heute beginnenden Weltmeisterschaftssaison hoch gesteckt, die Hoffnungen für Weltcup und WM ruhen vor allem auf Ronny Ackermann und dem etwas leichtgewichtigen Björn Kircheisen
AUS KUUSAMO KATHRIN ZEILMANN
Hermann Weinbuch spricht oft davon, dass er eigentlich in zwei Bereichen viel zu tun hat. Bezahlt wird er vom Deutschen Skiverband (DSV) offiziell dafür, als Cheftrainer der deutschen nordischen Kombinierer zu arbeiten. Doch er kämpft auch darum, der Kombination, dem Sport, dem er seit frühester Jugend verbunden ist, mehr Popularität und Aufmerksamkeit zu bringen. Er zerbricht sich den Kopf über attraktivere Wettkampf-Formate, über Fernsehverträge und Rahmenprogramm. „Das ist so die Arbeit, die ich auch mache, worüber ich mir neben dem Training Gedanken mache“, sagt er.
Er hat ja schon viel erreicht: Sieben Medaillen haben die Kombinierer seit 2001 bei Großereignissen gewonnen, Ronny Ackermann war zweimal Sieger des Gesamtweltcups und hält sich seit Jahren in der Weltspitze, der Nachwuchs arbeitet sich vielversprechend in die Weltcup-Mannschaft. Und auch das Fernsehen ist mittlerweile oft dabei, wenn sich die Kombinierer von der Schanze stürzen und durch die Loipe pflügen.
Aber leider, leider: Wenn heute der erste Wettkampf der Saison im finnischen Kuusamo stattfindet, wird wohl das Ergebnis des Vorabends, als die Skispringer ihren Saisonauftakt hatten, diskutiert werden. Weil sich bei den Springern ja auch einiges getan hat in den vergangenen Wochen: Ein spektakulärer Trainerwechsel, ein erkrankter Sven Hannawald, formschwache Athleten. Sogar die Langläufer erlangten Aufmerksamkeit durch Zwistigkeiten im Damenteam und Evi Sachenbachers Ausscheren in eine private Trainingsgruppe.
Bei den Kombinierern dagegen ging es wie immer ruhig zu: Sie haben trainiert und freuen sich auf den Saisonstart. „Jetzt soll es endlich losgehen, es reicht mit dem Training“, befindet Weinbuch. Die Projekte für diesen Winter, der mit der Weltmeisterschaft in Oberstdorf im Februar seinen Höhepunkt hat, hat er schon im Frühjahr vor dem ersten Training festgelegt: Mindestens zwei Medaillen bei der WM, dazu sollen die deutschen Winterzweikämpfer auch eine große Rolle im Gesamtweltcup spielen. „Ich habe die Ziele ganz klar abgesteckt, das war mir sehr wichtig“, sagt Weinbuch. Denn: „Vor einer WM im eigenen Land kann ich doch nicht sagen, wir wären mit vierten Plätzen zufrieden, das glaubt uns doch niemand.“
Auch Ronny Ackermann, der im Vorwinter den dritten Gesamtweltcupsieg in Serie verpasst hatte, ist positiv gestimmt: „Die WM ist das Highlight. Aber für mich ist schon auch der Gesamtweltcup wichtig.“ Um „zehn bis 15 Prozent“ haben er und seine Teamkollegen die Trainingsumfänge erhöht. „Im vergangenen Winter war ja ein Zwischenjahr ohne WM oder Olympia. Jetzt haben wir wieder etwas angezogen.“
Björn Kircheisen, vor zwei Jahren aufstrebender Junioren-Weltmeister und als Nachfolger Ackermanns gehandelt, war in der vergangenen Saison arg gestrauchelt, glaubt aber nun, sich wieder gefangen zu haben. „Ich habe beim Springen speziell den Absprung verbessert. Ich bin auf einem guten Weg, muss aber geduldig sein“, sagt er. Weinbuch meint: „Björn ist auch menschlich gereift.“ Unter seinen Schützlingen ist Kircheisen der einzige, der wegen der neuen Gewichtsregelung Probleme zu befürchten hat und als Leichtgewicht eventuell kürzere Skier springen muss. Aber auch das ist bei den Kombinierern kein Problem: „Er hat zwei Paar Skier getestet und dabei, die einen sind drei Zentimeter kürzer. Sollte er doch mal unter die Grenze kommen, muss er eben die Ski springen – oder Schokolade essen.“
Das einzig wirklich Interessante und Neue bei den Kombinierern, so konnte man mit Blick auf die Köpfe der Athleten feststellen, ist die Tatsache, dass Ronny Ackermann sich von seinen roten Haaren getrennt und jetzt wieder naturdunkelblond trägt, Sebastian Haseney dagegen in den roten Farbtopf gegriffen hat. Aber die Kombination, so erklärt es Weinbuch, soll auch gar nicht durch Skandale, Zwist und Neiddebatten in die nationale Aufmerksamkeit gerückt werden. „Unsere Weltcups sollen Events werden. Wir wollen dem Zuschauer etwas bieten. Schanze und Laufstrecke sollten unmittelbar zusammenliegen und in der Zeit zwischen den beiden Durchgängen muss es ein Programm geben, damit die Leute dableiben und auch das Fernsehen dran bleibt.“ Müssen sich Ackermann und Haseney in der Pause dann live die Haare färben, Kircheisen Schoko-Nikoläuse verdrücken? Das ist wohl nicht zu erwarten, dazu sind sie alle viel zu bodenständig im Lager der Kombinierer.