Poparchäologie deutscher Provenienz

Dieter Thomas Heck und seine „Hitparade“: Das ZDF zeigt in seiner „Kultnacht“ auf Sonntag ein dreistündiges Potpourri aus Höhepunkten, Hits und Heck (23.50 Uhr). Soviel Musikfernsehen ist dann doch möglich

Wie dünn er damals war, fast hager, und wie ungekront seine Zähne; die Brille wie aus der Kassenboutique, vollkommen uncool: Dieter Thomas Heck war in den letzten Züge der Sechzigerjahre, als die „ZDF-Hitparade“ mit ihm erstmals ausgestrahlt wurde, ein Entertainer sonderbaren Formats.

Es muss an seiner Black-&-Decker-Artigkeit im rhetorischen Ausdruck gelegen haben. Lang wurde ihm, dem vormaligen Radiomoderator, hämisch nachgerufen, sein Handwerk als Gebrauchtwagenhändler erlernt zu haben. Alles prallte an ihm ab: Das Secondhandhafte wurde in den Siebzigern zum natürlichen Stil aller, die keine Hippies sein wollten, doch zugleich nicht als Freunde von Gemütlichkeit im Sinne des „Blauen Bocks“ von Heinz Schenk erkennbar sein mochten.

Das ZDF zeigt heute in einer dreistündigen Dauerschleife – auf Mainzerdeutsch: Kultnacht – ein Medley jener Show, die Heck berühmt gemacht: die „ZDF-Hitparade“, allmonatliche Leistungsschau deutschsprachigen Pops (und somit Schlagers).

180 Minuten sind sie abermals zu genießen – die Vorbilder, die erst einen Guildo Horn (Trash as only trash can) möglich machten, die in ihren Liedern noch den Stoff abgaben für jene Schlagermoves, die sich nach wie vor gusseisener Popularität erfreuen. Rex Gildo, Michael Holm, Roy Black, Marianne Rosenberg, Cindy & Bert: HeldInnen von mindestens zwei Pubertätsgenerationen, Idole geradezu. Man sieht wieder die jungen Menschen, die nach einem Vortrag (live gesungen!) Blumen überreichen (manche der Fans artig mit Knicks ihre Zuneigung unterstreichend), man hört One-Hit-Wonder wieder (Daisy Door!) – und gelungene Versuche, den angloamerikanischen Hippiestyle jener Jahre ins Deutsche zu transferieren: am gelungensten Juliane Werding und ihr „Am Tag, als Conny Kramer starb“.

Es waren Hochämter des nonanglophonen Popschaffens – und Heck war sein einpeitschender Hohepriester. Ein Marktschreier gegen das Klischee, nur Kunstware abzuliefern: Im Gegenteil wirkten gerade bei der „ZDF-Hitparade“ jene am natürlichsten, die zwischen Rolle und eigener Persönlichkeit keine ironische Distanzgeste implantierten – Jürgen Marcus mag hierfür als am ehesten authentisch wahrgenommen werden. Um mit Guildo Horn zu sprechen: alles Lüge, ihr Tun, und zugleich die blendendste Wahrheit. Schöne Nostalgierolle! JAN FEDDERSEN