: Ein Exsponti und stolzer Bürokrat
Tom Koenigs, langjähriger Vertrauter Joschka Fischers, wird neuer Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung
Joschka Fischer holt einen alten Freund heim. Der jetzt 60-jährige Tom Koenigs, bislang Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen in Guatemala, wird neuer Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Er soll seine neue Aufgabe Anfang nächsten Jahres antreten und wird damit Nachfolger von Claudia Roth, die den Posten nach ihrer Wahl zur Grünen-Vorsitzenden im Oktober aufgegeben hatte.
Die Beziehung des Ministers zum künftigen Verwalter für Menschenrechtsfragen könnte enger nicht sein. 1999, kurz nach dem Einmarsch der Nato, machte Fischer Koenigs zum Innenminister der UN-Verwaltung. Es war Fischer anzumerken, wie erfreut er darüber war, den alten Weggefährten auf einem hohen Posten in der Krisenregion auf dem Balkan unterzubringen. Und das gegen Widerstände im eigenen Amt. Denn die Diplomaten haben es nicht gern, wenn einer von außen an der Karriereleiter vorbei in ein hohes diplomatisches Amt gehievt wird. Doch Fischer nutzte damals noch gern die kurzen Wege, um sich Informationen zu beschaffen – einen Vertrauten im Kosovo zu haben, war ihm wichtig.
Die beiden kennen sich schon aus den Sechzigerjahren, waren Teil der Frankfurter Spontiszene. Koenigs wurde über die Grenzen Frankfurts bekannt, als er, der Bankierssohn, sein Erbe an den Vietcong verschenkte. Mit der Entscheidung, sich bei den Grünen zu engagieren, kam der Gang durch die Institutionen. Koenigs leitete Fischers Büro, als dieser hessischer Umweltminister war. Von 1993 bis 1997 war der studierte Betriebswirt Koenigs Stadtkämmerer von Frankfurt.
Und lernte dort die Verwaltungsarbeit schätzen. Der hagere und genügsam lebende Exsponti outete sich als ein Mann, der sehr genau Akten zu studieren weiß und sein Amt in den Griff bekam. Diese Erfahrung kam ihm in der chaotischen Situation im Kosovo zugute. Koenigs musste aus dem Nichts ein Innenministerium des UN-Protektorats aufbauen und war damit auch verantwortlich für den Aufbau der UN-Polizei, inklusive der rot-weißen Geländewagen, im Volksmund als „Coca-Colas“ bekannt. Auf die Bemerkung des Reporters, Kosovo würde von „UN-Bürokraten“ verwaltet, antwortete er stolz: „Ich bin ein Bürokrat.“
Mit seiner Akribie und seinem Fleiß nahm die Behörde in der Tat schneller Gestalt an als andere Sektoren der UN-Mission. Vor allem US-Amerikaner bei der UN irritierte die Vietcong-Geschichte. Koenigs verschaffte sich aber dennoch Respekt. Und er lebte keineswegs abgeschottet von der kosovarischen Gesellschaft. Er war einer der wenigen UN-Funktionäre, die Kontakt zur Intellektuellen- und Künstlerszene in Prishtina suchten und sich bis zum Ende seiner Mission 2002 um Einzelschicksale kümmerten. Noch heute erinnern sich viele an ihn, an seine Freundlichkeit, sein Interesse, seine Unterstützung. Sein Foto hängt bis heute in dem von Diplomaten, Journalisten und kosovarischen Politikern besuchten Restaurant „Hani“. ERICH RATHFELDER