: „Euro-Aufwertung kostet Wachstum“
Gustav-Adolf Horn, Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, über die Folgen eines starken Euro für die deutschen Exporte und über die Gründe, warum der Dollar trotz günstiger Konjunkturentwicklung in den USA nicht steigt
INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN
taz: Herr Horn, der Euro steigt und steigt. Ist das gefährlich?
Gustav-Adolf Horn: Das ist gefährlich für unsere Exporte. Die verteuern sich. Das dürfte unsere Exporterfolge in nächster Zeit dämpfen.
Aber die Exporte sind im letzten Jahr um über fünf Prozent gestiegen – trotz starkem Euro.
Die Aufwertungen wirken verzögert. Unternehmen sichern sich ja auch ab, etwa indem sie ihre Preise zu einem bestimmten Wechselkurs festlegen. Aber auf Dauer lassen sich die Exporteinbußen nicht vermeiden.
In Regionen außerhalb der Dollarzone haben die Exporte stark zugenommen: nach China um 35 Prozent.
Es spielt keine Rolle, ob der Handel in Dollarländer geht: Auch in den Nicht-Dollarländern treten die US-Unternehmen als Konkurrenten auf. Und die haben ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die Dollar-Abwertung verbessert. Bei den Exporten nach China spielen im Übrigen politische Gründe eine große Rolle: Die Chinesen wollen sich unabhängig vom Handel mit der amerikanischen Wirtschaft machen. Sie haben Angst, dass die USA den Import ihrer Waren wieder stärker mit Zöllen belegen.
Die Deutschen exportieren langlebige Industrieanlagen und teure Autos. Ist da der Preis nicht ohnehin zweitrangig?
Die Preiselastizität ist zwar bei deutschen Exporten gering – aber trotzdem gibt es eine. Eine Euro-Aufwertung von 10 Prozent kostet einen Prozent Wachstum. Wenn wir allerdings in einem Marktsegment stark wären, wo es auf billige Massengüter ankommt, hätten wir noch viel mehr Probleme.
Warum steigt der Euro überhaupt?
Zum einen wird die Unterbewertung korrigiert: 2000 lag der Euro bei 82 Cent.
Ist der Euro jetzt nicht schon überbewertet?
Schwer zu sagen. Aber damals war er eindeutig unterbewertet. Zum Zweiten: Wir haben in Europa höhere Zinsen als in den USA. Das zieht Kapitalanleger an. Zum Dritten: Das Vertrauen in den Euro wächst. Wir haben keine Inflation. Das hat den Euro zu einem sicheren Hafen gemacht. Sobald irgendwo auf der Welt Unsicherheiten auftreten, fliehen die Anleger in den Euro. Früher sind sie in den Dollar geflohen.
Andererseits geht man in den USA von einem Wachstum von über acht Prozent aus, bei uns nur von unter zwei Prozent. Warum steigt der Dollar nicht?
Die Erwartung, dass die amerikanische Wirtschaft um über acht Prozent steigt, ist überhöht. Ich halte drei oder dreieinhalb Prozent für realistischer. Das ist sicher eine Tatsache, die den Euro nicht gerade beflügelt – aber die höheren Zinsen und die Preisstabilität scheinen zurzeit die wichtigeren Gründe zu sein, warum die Menschen ihr Geld in Euro anlegen.
Wie werden sich die Börsen entwickeln?
Wenn ich das wüsste. Ich sage dazu gar nichts: Die Börsen reagieren hysterisch auf jede noch so kleine Prognose. Aber sicherlich hat der Anstieg des DAX in den letzten Wochen das erwartete Wachstum ein Stück weit vorweggenommen.
Sollte die Zentralbank intervenieren, damit der Eurokurs wieder sinkt?
Nein, sie soll so weitermachen wie bisher.
Also Zinsen weiter senken?
Die Zinssätze konstant lassen und abwarten, dass der Aufschwung in Gang kommt.
Wie weit steigt der Euro noch?
Nicht mehr sehr viel weiter. Um ein bis zwei Cent, das ist nicht ausgeschlossen.
Was wäre die optimale Höhe?
Alle, die bis jetzt versucht haben, die optimale Höhe auszurechnen, sind damit gescheitert. Ich lasse es also.