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Archiv-Artikel

Teurer Mutterschutz

Verfassungsgericht fordert Neuregelung, damit junge Frauen bei der Jobsuche nicht benachteiligt werden

FREIBURG taz ■ Die Arbeitgeber müssen weiter den Großteil des Mutterschaftsgeldes bezahlen. Die Regelung soll künftig aber frauenfreundlicher ausgestaltet werden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem gestern veröffentlichten Beschluss. Der Bundestag muss bis Ende 2005 eine Neuregelung treffen.

Das Mutterschaftsgeld wird als Lohnersatz sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt bezahlt, weil Frauen in dieser Zeit nicht arbeiten dürfen. Ein Großbäcker aus München wollte nun erreichen, dass das Mutterschaftsgeld künftig ausschließlich über Steuern finanziert wird. Die Versorgung von Schwangeren sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Inzwischen zahlen die Arbeitgeber insgesamt rund 70 Prozent dieser Leistung, pro Jahr sind das 1,5 Milliarden Euro. Der Rest kommt von Krankenkassen und Staat, deren Ausgaben jedoch gedeckelt sind.

Der Bäcker, der von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände unterstützt wurde, hatte sich gute Chancen ausgerechnet. Denn 1986 hatte Karlsruhe noch erklärt, dass die Regelung nur so lange in Ordnung sei, wie der größere Teil des Mutterschutzes von Staat und Kassen bezahlt werde. Doch diesmal rechnete Karlsruhe anders. Man müsse alle gesellschaftlichen Leistungen für Familien und Kinder betrachten, also auch Kinder- und Erziehungsgeld, dann überwiege nach wie vor das staatliche Engagement.

Dennoch muss der Gesetzgeber nun etwas ändern. Die Richter nutzten die Klage des Bäckers, um eine geschlechtsneutrale Finanzierung zu fordern. Unternehmen, die keine oder wenige Frauen beschäftigen, haben derzeit ein geringeres Kostenrisiko, was ein Einstellungshindernis für Frauen sein könnte, so das Gericht.

Karlsruhe legt dem Bundestag deshalb eine Fondslösung nahe, wie sie derzeit bereits für Kleinbetriebe mit bis zu zwanzig Beschäftigten besteht. Danach zahlen alle Betriebe nach der Zahl der Mitarbeiter – und unabhängig von deren Geschlecht – in einen Topf, aus dem das Mutterschaftsgeld finanziert wird. Die Arbeitgeber haben die Ausweitung dieses Modells auf Groß- und Mittelbetriebe bisher abgelehnt, weil der Verwaltungsaufwand zu groß sei.

Das Urteil fiel mit der knappen Mehrheit von fünf zu drei Richterstimmen. CHRISTIAN RATH