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Archiv-Artikel

BARBARA DRIBBUSCH über GERÜCHTE Hirsche schießen in Brandenburg

Was kann ich zur Weihnachtszeit tun für die deutsche Wirtschaft? Eine Adventsrunde denkt nach

Eigentlich wollte ich politische Themen meiden, aber irgendwann kamen wir doch auf das Thema Weihnachtseinkäufe. „Ich fühle mich plötzlich so unter Druck“, sagt Tine, „überall wird einem befohlen: Kauf! Kauf! Kauf! Sonst geht die deutsche Wirtschaft den Bach runter.“ Tine und Ralf haben zum Adventsplausch geladen, mit Selbstgebackenem.

„Ist gar nicht so einfach, was für die deutsche Wirtschaft zu tun“, Ralf knabbert an einem Zimtstern, „Tine zum Beispiel hätte gerne einen Fiat, aber was ist daran deutsch?“

„Einen Fiat hast du dauernd in der Werkstatt“, meint Wolfgang, „also nützt das dem deutschen Kfz-Handwerk.“

„Porsche Cayenne, das ist das richtige Auto für den Aufschwung“, sagt Ralf, „der wird in Leipzig gebaut.“

„Die schrauben da doch nur die Endteile zusammen“, meint Wolfgang. Ins Gespräch schleicht sich dieser angeberische Sound, der sich gerne als Ironie verkleidet. Das hier ist eine besserverdienende Fraktion meines Bekanntenkreises, stelle ich fest.

Tine riskiert den Hausfrauen-Sound: „Kauft Geschenke doch auf dem Weihnachtsmarkt. Da kann man nichts falsch machen: Die Sachen werden alle von Hand in Deutschland gefertigt, Kerzen, Wollmützen, Webschals.“

Ich sage nichts. Ein handgewalkter Filzhut vom Weihnachtsmarkt liegt schon seit Jahren ungetragen bei mir herum, ich sehe darin aus wie eine Aquarellmalerin aus Worpswede in ihren Spätfünfzigern. So was bringt Deutschland nicht voran.

„Dinge zu kaufen ist immer so eine Sache“, gebe ich dann zu bedenken, „Dienstleistungen sind sicherer, die liegen nicht zu Hause herum und die Arbeitsplätze sind garantiert von hier.“

„Genau, wir sollten alle mehr essen gehen“, schlägt Wolfgang vor, „wann ward ihr denn das letzte Mal in der Pizzeria?“ „Ist doch viel zu billig dort“, sagt Ralf, „das hilft nicht beim Aufschwung.“

„Genau, wir müssen teurer essen gehen.“

„Nimm doch einfach noch einen edlen Flaschenwein dazu.“

„Aus der Toskana, harharhar, dann kannst du dir auch gleich einen Fiat kaufen.“

Dieses Gespräch ufert aus.

„Vielleicht sollte man es mal mit Unterwäsche von Trigema versuchen“, schlage ich vor und angele mir etwas Russisch Brot. Das ist immerhin nicht selbst gebacken, sondern kommt von Bahlsen. Knabbern für Deutschland!

„Unterhosen von Trigema. Ist das nicht der mit dem Affen vor der Tagesschau, der nur in Deutschland fertigt?“, vergewissert sich Wolfgang und nützt die Gelegenheit: „Aber Unterwäsche könnte ich gebrauchen. Für die Jagd. Thermounterwäsche.“

Nun ist es heraus. Irgendwann landet Wolfgang immer beim Thema Jagd. Letztens haben wir darüber diskutiert, dass unter Jägern nicht mehr der Loden in Mode ist, sondern amerikanische Tarnanzüge. Es gibt sie in den Mustern „Buche“ und „Tanne“, der Flora des Jagdgebietes angemessen. Aber das ist amerikanische Kleidung. Nützt uns nichts.

„Für Jäger gibt es doch bestimmt noch jede Menge deutscher Produkte“, sage ich.

„Jagdwaffen aus Suhl, zum Beispiel“, plappert Ralf.

„Manche Jäger-Ehefrauen schenken ihren Männern auch einen Abschuss zu Weihnachten“, erklärt Wolfgang, „ein Zwölfender in Brandenburg zum Beispiel kostet 5.000 Euro, dann darfst du mit dem Führer los, in der Brunftzeit ist das in anderthalb Stunden erledigt. Das Geld kriegt der Staat.“

Klasse. Einen Zwölfender schießen für den öffentlichen Haushalt.

„Also in anderthalb Stunden ein Zwölfender, das ist doch kein richtiges Jagen“, sagt Ralf. Offenbar will er wenigstens einmal heute in Führung gehen.

Wolfgang grinst: „Deswegen fahren wir auch im Sommer nach Namibia. Jagen für Deutsch-Südwest!“

Wir geben uns geschlagen. So originell sind wir nicht. Ich schaffe es heuer wohl nur, Christstollen zu kaufen. Trotz des vielen Zitronats. Aber die Dinger sind handgemacht und kommen aus Dresden.

Fragen zu Hirschen? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Mausshardt über KLATSCH