Ukraine: Opposition auf Crash-Kurs

Juschtschenko-Lager bricht Gespräche mit Staatsmacht ab. Erstes Misstrauensvotum im Parlament gescheitert. Oberstes Gericht setzt Beratungen über Wahlannullierung fort. Polens Präsident und EU-Außenbeauftragter reisen erneut nach Kiew

KIEW afp/ap/taz ■ Die ukrainische Opposition setzt wieder auf zivilen Ungehorsam: Gestern brach sie die Gespräche mit der Staatsmacht ab. Die Regierung fahre eine Verzögerungstaktik, sagte Alexander Sintschenko, der Wahlkampfleiter des Oppositionskandidaten Wiktor Juschtschenko. Zudem kritisierte er, dass die Regierungsfraktionen versucht hatten, eine Rücknahme der Parlaments-Resolution über die Annullierung der Stichwahl durchzusetzen. Er forderte die Demonstranten auf, erneut die Regierungsgebäude zu blockieren.

Bereits am Nachmittag hatte eine Gruppe Demonstrierender versucht, das Parlament zu stürmen. Zuvor hatte ein Misstrauensantrag gegen die Regierung die Mehrheit verfehlt. Darin wurde unter anderem die Entlassung von Janukowitschs Regierung gefordert. Nach Angaben von Parlamentspräsident Litwin sollten die Abgeordneten bis Mittwoch Zeit haben, einen „wohl abgewogenen“ Text für einen zweiten Antrag zu prüfen.

Am Nachmittag hatte Juschtschenko Kompromissvorschläge von Wiktor Janukowitsch abgelehnt. Der Premier hatte vorgeschlagen, nach seiner Bestätigung als Wahlsieger Juschtschenko zu seinem Premier zu ernennen. Sollte das Oberste Gericht die Wahl für ungültig erklären, sei er zu Neuwahlen bereit. Daran sollten jedoch weder er noch sein Widersacher teilnehmen, um eine weitere Spaltung des Landes zu vermeiden.

Unterdessen setzte der Oberste Gerichtshof seine Beratungen über eine Annullierung der Stichwahl vom 21. November wegen Wahlbetrugs fort. Eine Entscheidung wurde gestern nicht mehr erwartet. Die Opposition verschärfte ihren Antrag und fordert nun, den Sieger des ersten Wahldurchgangs vom 31. Oktober, Wiktor Juschtschenko, zum Präsidenten zu erklären.

Das für Sonntag geplante Referendum über eine Autonomieregelung für die ostukrainische Region Donezk wurde verschoben. Der Sicherheitsrat und das Büro des Generalstaatsanwalts leiteten strafrechtliche Ermittlungen bezüglich der Frage ein, ob die territoriale Integrität des Landes von den Regionen im Südosten bedroht wird.

Der russische Präsident Putin sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Angaben der Bundesregierung zu, das Ergebnis einer Wahlwiederholung anzuerkennen. Polens Präsident Aleksander Kwaśniewski und der EU-Beauftragte für Außenpolitik, Javier Solana, sollen heute erneut in der Ukraine vermitteln. BO

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