: Wehrmacht à gogo
Die alte Ironie ist peinlich ernst und unfreiwillig komisch geworden: Im Großflughafen Tempelhof wirkten die Totalitarismus-Popper Laibach wie eine müde Rockband
Laibach haben Kulturgeschichte geschrieben. Die aus der slowenischen Bergarbeiterstadt Trbovlje stammenden Konzeptkünstler begannen 1980 mit zielsicheren Provokationen, den eigentlich entspannten Liberalismus des selbstverwalteten Tito-Sozialismus auf die Probe zu stellen, schafften es dann tatsächlich, verboten zu werden. Ihre Koketterie mit nationalsozialistischer und faschistischer Ästhetik sorgte für das gewünschte Aufsehen, vor allem auch durch die ebenso offensichtliche wie verstörende Nähe zum Gestus des realsozialistischen Selbstbilds jugoslawischer Prägung.
Erste Texte wurden in Latein und Slowenisch dargeboten, später entdeckte Laibach das Deutsche und damit das rollende R. Als Bestandteil der Neuen Slowenischen Kunst (NSK) und mit verwandten Mitstreitern wie der Künstlergruppe Irwin oder dem Philosophen Slavoj Žižek nahmen die Musiker quasi die Postmoderne vorweg, verkündeten das Ende aller Utopien lange vor dem Ende des Kalten Krieges.
Laibach waren gleichzeitig Neuwagnerianer und Pioniere des Industrials. Throbbing Gristle und SPK filetierten den Pop mit Hirnsägen, die Einstürzenden Neubauten huldigten einem Existentialismus – Laibach hingegen setzten Pathos als subtiles Mittel der Selbstironie ein. Unter ihrem aus Malewitsch-Kreuz und Zahnrad gebildeten Logo vermochten sie es lange Zeit, ihr Konzept radikaler Ambivalenz aufrechtzuerhalten.
Das alles ist sehr lange her. Inzwischen wurde das Konzept gnadenlos von Rammstein gefleddert und bescherte Millionenumsätze. Laibach blieb ein solcher Erfolg versagt. Das spricht für die Slowenen. Tomaz Hostnik, ihr erster „Sänger“, hatte sich bereits 1983 das Leben genommen – unvergessen seine rhetorischen Nazi-Parodien auf den frühen Tonträgern!
Kurz nach dem Suizid stieß Milan Fras als neuer Frontmann zur Band. Im „Columbia Club“ war er nun der Einzige, der die ursprüngliche Formation noch verkörperte: Weder Ivan Novak noch Dejan Knez oder Ervin Markosek standen auf der Bühne. Sowohl der Bass- als auch der Lead-Gitarrist waren offensichtlich frisch gecastet und wirkten in ihren Breeches-Hosen doch etwas hineingeborgt. Es kam noch schlimmer. Nach einer halben Stunde traten plötzlich zwei junge Frauen auf das Podest, positionierten sich symmetrisch links und rechts neben dem Sänger, begannen, nach Art militanter Go-go-Girls zu posieren – eine musikalische Funktion erfüllten sie dabei nicht.
Überraschend fiel eher schon die rockige Ausrichtung der Begleitband aus. Mit Schlagzeug, Gitarre und Bass in klassischer Besetzung spielte sie etwas müde gegen die übrigen Sounds an, die wie immer zur Hälfte aus der Konserve kamen. Die Bühne war diesmal ohne Hirschgeweih ausgestattet, wurde dafür von einem leibhaftigen 16-mm-Projektor mit schönen, kryptischen Sequenzen bestrahlt.
In den peinlichen Momenten des Konzerts offenbarte sich deutlich die Schere, in die Laibach spätestens seit zehn Jahren eingetreten sind: Die einst hintergründig praktizierte Ironie hat sich allmählich in pathetischen Ernst verwandelt, ja sogar in unfreiwilligen Humor. In einem ihrer jüngsten Videos sind die Kombattanten der Urbesetzung in SS- und Wehrmachtsuniformen zu sehen, mit einem Einkaufswagen durch eine Shoppingmall flanierend. Von solch zynischer Kapitalismus-Kritik war live leider nur selten etwas zu spüren. CLAUS LÖSER