Deutschland sollte auf einen Sitz im UN-Sicherheitsrat verzichten : Realität verdrängt und verkannt
Der Bericht der UN-Reformkommission ist die umfassendste, klügste und konkreteste Blaupause zur Stärkung und Reform der Vereinten Nationen, die seit Gründung der Weltorganisation vor bald 60 Jahren vorgelegt wurde. „Eine sichere Welt. Unsere gemeinsame Verantwortung“ heißt er und benennt schonungslos die politischen Versäumnisse und institutionellen Mängel der UNO. Der Bericht identifiziert die sechs wichtigsten globalen Herausforderungen und Bedrohungen sozioökonomischer, ökologischer und sicherheitspolitischer Natur, auf die die 191 Mitgliedsstaaten gemeinsame Antworten finden müssen, und analysiert sie in ihrem Verhältnis zueinander. Schließlich enthält der Bericht 101 konkrete und wohl begründete Reformempfehlungen, deren Umsetzung bis auf vier keiner Veränderung der UN-Charta bedarf.
Ganz entscheidend ist, dass all dieses in einem repräsentativen internationalen Konsens formuliert wurde, der auch von Bent Scowcroft, ehemals Sicherheitsberater von US-Präsident George Bush senior und Mentor der designierten neuen US-Außenministerin Condoleezza Rice, mitgetragen wird. Damit könnte dieser Bericht die Grundlage bieten für ein wieder mehr gemeinsames Handeln der in der UNO versammelten Staaten – unter Einbindung der USA. Eine Chance hierfür bestünde allerdings nur, wenn möglichst viele Regierungen den Bericht in seiner Gänze rezipieren und unterstützen. Das gilt vor allem für die Bundesregierung. Die interessiert sich bislang in provinzieller Nabelschau ausschließlich für die Erweiterung des Sicherheitsrates. Und damit für das einzige Thema, in dem die Autoren des Berichts erklärtermaßen keinen Konsens gefunden haben – abgesehen von ihrer ausdrücklichen Ablehnung neuer ständiger Ratssitze mit Vetorecht.
Auf einen solchen Sitz arbeitete die rot-grüne Koalition in völliger Verkennung oder Verdrängung der Realitäten hin. Jetzt soll ein vetofreier Sitz genügen. Wenn die Bundesregierung – wie sie gerne behauptet –tatsächlich die UNO stärken will, dann sollte sie ihre Kampagne für einen ständigen Ratssitz jetzt einstellen und zur Umsetzung der tatsächlich wichtigen Konsensempfehlungen des Berichts beitragen. ANDREAS ZUMACH