Ohne Kopftuch auf der Schulbank

Eine französische Expertenkommission empfiehlt ein Gesetz, das in Schulen und Behörden das Tragen von Kopftüchern oder Kippas untersagt. Demgegenüber soll jedoch die Integration unterschiedlicher Konfessionen im Lande verbessert werden

aus Paris RUDOLF BALMER

Während sechs Monaten hörten sich in Frankreich die zwanzig Experten der „Stasi-Kommission“ Ansichten und Ratschläge an. Politiker, Philosophen, Theologen und konfessionelle Würdenträger, Soziologen, Sozialarbeiter und Lehrer äußerten sich zum Thema Laizismus und Kopftuch in der Schule. Bisher existiert nur ein ziemlich vager Grundsatzentscheid des höchsten Verwaltungsgerichts, der im Jahre 1989 Sanktionen für legitim erachtete, wenn das Kopftuch einen „ostentativen oder propagandistischen Charakter“ habe.

Jetzt sprechen sich die Weisen für ein Gesetz aus, welches in den staatlichen Schulen und den Beschäftigten in den öffentlichen Diensten das Tragen „ostentativer Zeichen religiöser oder politischer Zugehörigkeit“ (etwa Schleier, Kippa oder ein großes Kreuz) untersagt. Diskretere Symbole wie Kreuze, Medaillons mit Heiligenbild, Davidsterne oder Fatima-Händchen als Kettenanhänger sollen dagegen weiter toleriert werden.

Zugleich empfiehlt der Bericht eine Reihe von Maßnahmen, welche die Integration des Islam und anderer Konfessionen in Frankreich fördern sollen. Dazu gehört namentlich die Einführung von drei neuen Feiertagen in den Schulen: das jüdische Jom-Kippur-Fest, Aid-al-Kebir (Ende der muslimischen Fastenzeit) und die orthodoxe Weihnacht. Und die Staatsbeamten sollen eine Charta erhalten, die sie an ihre Pflicht zur strikten Neutralität erinnert.

Staatspräsident Jacques Chirac hatte am Wochenende in Tunis gesagt: „Im öffentlichen Schulwesen ist der Schleier etwas Aggressives.“ Er hatte versprochen, er werde die nötigen Konsequenzen aus dem „Stasi-Bericht“ ziehen und, „falls nötig, auf die Gesetzgebung zurückgreifen“. Er dürfte darum bereits Mitte kommender Woche der Regierung empfehlen, eine gesetzliche Grundlage auszuarbeiten, um religiöse Provokationen in der Schule zu vermeiden, ohne dabei zugleich einen neuen Glaubenskrieg vom Zaune zu brechen.

Die Vorlage darf nicht einseitig „antiislamisch“ klingen. Umgekehrt haben sich bereits Vertreter sämtlicher Konfessionen Frankreichs vehement gegen ein generelles „antiklerikales“ Gesetz, das alle religiösen Symbole und Spuren aus der Schule verbannt, ausgesprochen.

Nichts ist einfach in dieser Debatte über das islamische Kopftuch in der Schule oder im öffentlichen Dienst. Die Befürworter eines Verbots beharren auf der seit 1905 geltenden strikten Trennung von Kirche und Staat. Für sie ist das Kopftuch (Foulard) ein beschämendes Symbol sexistischer Repression und der damit ausgelöste Streit Teil einer islamistischen Strategie. Die Gegner eines Verbots pochen auf die Toleranz und die Glaubensfreiheit. Auch wenden sie ein, die Schule sei gerade für Kinder aus streng muslimischen Familien der einzige Ort der Integration in die weltliche französische Gesellschaft.

Zweifellos ist eine disziplinarische Strafe, und erst recht ein generelles Kopftuchverbot, das Eingeständnis, dass mit der Integration der arabisch-muslimischen Einwandererfamilien und ihrer zumeist in Frankreich geborenen Kinder etwas schief gelaufen ist. Ähnliche Probleme wie mit dem Kopftuch in der Schule tauchen immer häufiger im öffentlichen Dienst, am Arbeitsplatz oder in Krankenhäusern auf.

Hinter dem Schleier verbirgt sich die Frage, inwieweit der Islam mit einer frauenfeindlich und mittelalterlich anmutenden Doktrin mit der westlich-weltlichen Gesellschaft kompatibel ist. Lange wollte man sich in Frankreich dieser Diskussion nicht stellen, jetzt hat die Kopftuchfrage eine Staatsaffäre daraus gemacht.