: Fredi Bobic gibt den Berbatov
Kaum dass er im Amt ist, ist auch bei Herthas Interimscoach Andreas Thom die Luft raus. Beim 1:1 im Heimspiel gegen 1860 München knüpften die Herthaner dort an, wo sie unter Huub Stevens aufgehört hatten. Neuer Trainer für Januar angekündigt
VON MATTI LIESKE
Die zweitliebste Beschäftigung der Sportmedien nach dem Trainersturz ist es, den Interimstrainer in den Job zu schreiben. Aschenputtelstorys, wie sie einst Christoph Daum in Köln, Joachim Löw in Stuttgart oder zuletzt Falko Götz als kurzfristiger Röber-Ersatz bei Hertha BSC lieferten, die sich aus der Obskurität emporschwangen und in der Bundesliga Sieg an Sieg reihten, liebt das Fußballvolk schließlich von ganzem Herzen.
Die nach dem 1:1 in Dortmund gerade erst vielversprechend angelaufene Kampagne zur Installierung von Andreas Thom als endgültigem Stevens-Nachfolger bei der Hertha dürfte allerdings nach dem 1:1 gegen 1860 München beendet sein, bevor sie richtig begonnen hat.
„Heute nicht“, grollte Manager Dieter Hoeneß mit jener Unwirschheit, die ihn nun schon seit Wochen auszeichnet, seit er gefragt wurde, ob er Fortschritte gegenüber der „Ära Huub“ gesehen habe. In der Tat knüpfte die Mannschaft gegen die wahrlich nicht brillant aufspielenden Sechziger nahtlos an die uninspirierten bis hühnerhaufigen Darbietungen der bisherigen Heimspiele an.
„Zerfahren“ nannte Thom die Spielweise seiner Mannen. Der Ball lief zähflüssig durch die Reihen, wenn er nicht sogar gleich an den Gegner abgegeben oder ins Aus gespielt wurde. Selbst Marcelinho fand kaum brauchbare Anspielstationen und versuchte sich mit Fernschüssen, deren Qualität sich streng am Tabellenplatz der Hertha orientierte.
Von zwei Bundesligateams der bescheidenen Sorte hinterließen die Gastgeber noch den harmloseren Eindruck, und am Ende wussten die trotz grässlichen Wetters erschienenen 27.112 Zuschauer nicht genau, wie sie auf die hilflose Performance ihrer Mannschaft reagieren sollten. Eigentlich entschlossen, den Beginn der Nach-Stevens-Ära mit Leidenschaft und Sympathie zu begleiten, verfielen sie angesichts der Fehlpasshäufung immer wieder unwillkürlich in altvertraute Unmutsäußerungen zurück, bis ihnen plötzlich dämmerte: Ach ja, Huub ist ja weg, also: Anfeuern, Mut machen!
„Ich bin sehr, sehr traurig“, gab Andreas Thom anschließend bekannt, und genau so sah er auch aus. Abgesehen davon, dass dieses Remis wohl seinen Weg zurück zu den Hertha-Amateuren vorgezeichnet hatte, ärgerte den 38-Jährigen, wie töricht ein greifbar naher Sieg und damit das erstrebte Verlassen der Abstiegsränge verpasst worden war. Wieder einmal hatte Hertha mit 1:0 in Führung gelegen, durch ein freundliches Eigentor des langmähnigen Sechzigers Costa in der 53. Minute – „mit dem Pferdeschwanz“, wie der Brasilianer anschließend stolz verriet. Aber nur vier Minuten später schafften es die Berliner, anlässlich eines eigenen Eckballs so geschlossen unvorsichtig aufzurücken, dass sie beim anschließenden Konter hinten in Unterzahl waren und den Ausgleich durch Lauth kassierten.
Am Ende durften sie froh sein, dass die von Trainer Falko Götz auf überfallartige Konter eingeschworenen Sechziger nur dies eine Mal so zielstrebig abschlossen und vor allem dem 18-jährigen A-Jugendlichen Lance Davis bei seinen zwei Großchancen noch die Kaltblütigkeit fehlte.
Hertha dagegen brauchte schon die Effektivität eines Ailton und Makaay zusammen, um bei den wenigen herausgespielten Möglichkeiten genug Tore zur Kompensation der haarsträubenden Abwehrfehler zu erzielen. Auch Fredi Bobic gibt jedoch derzeit eher den Berbatow, weshalb 1860-Keeper Michael Hofmann zu Recht anmerkte: „Hertha hat Potenzial, kann es aber im Moment nicht abrufen.“
Der Mann, der dies ändern soll, wird bis Anfang Januar präsentiert, verspricht Dieter Hoeneß. Morgen in Köln leitet aber noch einmal Andreas Thom die Geschicke. Da geht es dann um eine Trophäe, die zu Saisonbeginn ganz gewiss niemand im Sinn hatte: die rote Laterne.