steffen grimberg
: Doppelt so schnell wie Bush
Von Inszenierung bis zur Geschichtsklitterung – wie die Fernsehsender am Sonntag Saddam Hussein aus dem Erdloch holten
„Ladies and Gentlemen – we got him.“ Selten wurde eine Pressekonferenz so perfekt inszeniert wie der Auftritt von Irak-Statthalter Paul Bremer am Sonntag in Bagdad. Obwohl der spontane Jubelausbruch eines Teils der JournalistInnen wahrscheinlich sogar echt war.
Wunderbar dann auch der Auftritt von US-Präsident George W. Bush. Welch eine Rede an die Nation! Spricht der Mann eigentlich immer so langsam? Und wie fies die BBC: Die schnitt im verlauf des Abends die Statements von Großbritanniens Premierminister Tony Blair vor die Bush-Ansprache. Landsmannschaftlich ist das natürlich völlig in Ordnung. Und in der Koalition der Willigen waren ja sowieso beide treu vereint. Nur weiß man eben jetzt auch, dass Blair bei aller pastoralen Besinnlichkeit immer noch doppelt so schnell redet wie der US-Präsident. Und wahrscheinlich auch denkt.
Perfekt inszeniert, das sei hier nicht ausgeklammert, war auch die Berichterstattung des deutschen Fernsehens: ARD und ZDF hatten sich, um es höflich zu formulieren, auf das Tempo von Bush eingestellt. Den Blair gab unterdessen – na wer wohl – Peter Kloeppel auf RTL. Der Tagesspiegel war so freundlich, mitzustoppen: 30 Minuten nach den ersten Agenturmeldungen fing dort die erste Sondersendung an. Als gute Gebührenzahler wissen wir natürlich: RTL-Nachrichten sind Schrott. Leider kann man das heutzutage bloß nicht mehr sehen, weil sie so gut … ahem.
Und ist es nicht irgendwie auch tröstlich, wenn in diesem rasend schnellen Medium Fernsehen irgendwer noch den Mut zur Entschleunigung hat? Aber halt – bevor sich jetzt wieder alle bei ARD und ZDF mopsen: Am Abend ging’s dann ja, größtenteils zumindest.
Doch was kümmert einen der Kampf privat gegen öffentlich-rechtlich, wenn international mit viel gröberen Klötzen gearbeitet wird. Was CNN da ablieferte war Geschichtsklitterung. Eine investigative Geschichte zur einstigen Aufrüstung von Saddam durch die Vereinigten Staaten verlangt ja niemand. Aber so zu tun, als begänne die gemeinsame Geschichte USA-Irak mit dem Golfkrieg 1991, war bisher Rupert Murdochs Fox-News vorbehalten, deren Einseitigkeit derzeit die britischen Medienwächter beschäftigt. Doch auch das ist nicht die beunruhigendste Erkenntnis dieses Sonntags. Sondern die, dass so was nun offenbar auch von der BBC nicht mehr erwartet werden kann. ARD, ZDF, RTL – irgendwer Interesse?