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Archiv-Artikel

Kein Menüplan für die USA

Ober-Datenschützer Peter Schaar: Streit um Weitergabe von Passagierdaten anUS-Behörden ist längst nicht beendet – auch wenn ein EU-Kommissar das behauptet

BERLIN taz ■ Vehement hat der neue Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar gestern der Behauptung widersprochen, EU und USA hätten sich geeinigt, unter welchen Bedingungen Flug-Passagierdaten an die US-Behörden weiterzureichen seien. „Entgegen anders lautenden Gerüchten gibt es noch keine Vereinbarung“, erklärte Schaar der taz.

Genau das aber hatte EU-Binnenkommissar Frits Bolkestein am Dienstag in Straßburg verkündet. Seit Monaten verhandeln EU und USA, in welcher Form die Europäer den Amerikanern die Daten von Flugpassagieren übermitteln sollen. Schon seit März dieses Jahres saugen sich die USA aus den Fluggesellschaftsrechnern alle verfügbaren Daten ab.

Laut Bolkestein sähe eine Fortsetzung dieser Praxis so aus, dass die USA 34 Informationen über Passagiere von den Fluglinien abfragen. Dazu gehören Name und Geburtsdatum, aber auch Sonderwünsche wie koscheres Essen, anhand deren sich die Religionszugehörigkeit erkennen lässt. Bolkestein erklärte es zu einem „Erfolg“ für die EU, dass die USA diese Informationen nicht fünfzig, sondern lediglich dreieinhalb Jahre speichern wollen.

Bei der von Bolkestein als solche bezeichneten „Einigung“ handelt es sich jedoch nicht um ein Abkommen, sondern um eine Art Vorverständigung über die Angemessenheit, auf Englisch „adequacy finding“ genannt. Dies jedoch ist, meint nicht nur Peter Schaar, mitnichten das Ende der Debatte.

Die niederländische Europaabgeordnete Johanna Boogerd erklärte gestern, dass die derzeitige Praxis der Datenweitergabe vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden müsse, der auch ein mögliches Abkommen bewerten solle. „Die einzige Dauerlösung ist ein internationaler Vertrag zwischen EU und USA, an dem das Europäische Parlament und der US Kongress mitwirken“, erklärte Boogard. Bis dahin müsse der unrechtmäßige Transfer von Daten gestoppt werden.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte plädierte gestern für einen völkerrechtlichen Vertrag. „Für einen derartigen Grundrechtseingriff brauchen wir eine belastbare Rechtsgrundlage“, sagte Schaar. Nur so werde ein „Downsizing des Datenschutzes“ verhindert. Schaar formulierte eine Reihe von Forderungen, die an einen Vertrag zu stellen seien: Die Merkmale, die weitergeleitet würden, müssten auf das „Erforderliche begrenzt werden“. Der Menüplan gehöre mit Sicherheit nicht dazu. Nach der Einreise müssten alle Daten sofort gelöscht werden. Sie dürften nur zur Überprüfung der Reisenden dienen. Die Betroffenen müssten volles Auskunftsrecht bekommen und Korrekturen anbringen dürfen. Ein Datenschutzbeauftragter und Gerichte müssten die Weitergabe überprüfen und sanktionieren dürfen.

Außerdem müsse das technische Verfahren der Weitergabe so gestaltet werden, „dass es missbrauchsfest ist“, so Schaar. Das gehe nur, wenn die US-Behörden sich nicht beliebig im Flugbuchungssystem bedienen können (Pull-System). Vielmehr sollten die Fluglinien diese Daten selbst „weiterschieben“ (Push-System). In der zuständigen „Artikel-29-Gruppe“, die an der Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie arbeitet, will Schaar im Januar in Brüssel einen Forderungskatalog für die EU-Ebene aufstellen. Bei den deutschen Datenschutzbehörden werde er „auch darauf dringen, dass die bisherige rechtswidrige Praxis abgestellt wird“, sagte Schaar.

ULRIKE WINKELMANN