piwik no script img

Archiv-Artikel

KUNSTRUNDGANG Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um

Sabine Groß: Critic’s Choice 2; bis 19.12., Di–Fr 12–18, Sa/So 14–18 Uhr, NBK, Chausseestraße 128/129

Das Ostgut sucht die Nähe zur Kunst. Oben in der Panorama-Bar hängen zwei werbetafelgroße Fotos von Wolfgang Tillmans, und an der Längsseite zur Garderobe hat Piotr Nathan ein 100 qm großes Wandbild fertig gestellt. Knapp 30 mal 4 Meter türmen sich Landschaften auf, die den vier Elementen gewidmet sind. Wie in einem Diorama sieht man einen nächtlichen Vulkanausbruch, eine Bucht mit Windhosen und Fischerhäuschen, dazu eine Sandwüste, durch die eine verlorene Karawane zieht. Die Darstellungen sind nach alten enzyklopädischen Vorlagen entstanden: Stiche aus alten naturwissenschaftlichen Magazinen, die nun zum hallenfüllenden Format vergrößert und auf insgesamt 171 Metallplatten übertragen wurden. Ganz überblicken lässt sich das Wandbild nicht, und so wechselt man zwischen Nah- und Fernsicht, verliert sich mal in den feinen, mit schwarzem Lackstift gekritzelten Details, um dann wieder von weitem über die Erhabenheit der Szenerie zu staunen.

Sabine Groß zweifelt an den Überwältigungsstrategien der Malerei. Deshalb hat sie in ihrer Ausstellung, die von Nicola Kuhn für die „Critic’s Choice“-Reihe des NBK kuratiert wurde, Klassiker der Moderne als wahrnehmungsphysiologisches Experiment auseinander genommen. Gemälde von Vincent van Gogh und Edvard Munch wurden von Groß am Computer zerlegt und aus den Splittern kleine Animationsfilme programmiert. So hat Munchs „Schrei“ sehr konkret laufen gelernt, bei van Gogh löst sich eine Dorflandschaft in kreiselnde Sonnenräder auf, am Ende bleibt digitales Gewimmel. Mit dieser Art Dekonstruktion des Mediums setzt Groß die Fiktion hinter den ursprünglichen Bildern frei. In ihrem Pixel-Potpourri sieht man, wie die Vorlagen jenseits aller historischen Patina wieder die Fantasie anregen – zumindest die der Künstlerin Groß.

Piotr Nathan: Die Rituale des Verschwindens; am Wochenende ab 22 Uhr, Ostgut, Am Wriezener Bahnhof