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Archiv-Artikel

„Jetzt haben wir einen Seehofer auf Türkisch“

Türkischstämmiger Kreischef der Jungen Union kritisiert die Wahl Demirbüken-Wegners in den CDU-Bundesvorstand scharf. Fraktionschef Zimmer hingegen verspricht sich viel davon, weil der Partei kritische Diskussion gut tun würde

Zwei, drei Minuten hatte sie Zeit, sich beim CDU-Bundesparteitag den rund 1.000 Delegierten vorzustellen. Als das Wahlergebnis ausgezählt war, hatten zwei Drittel davon für Emine Demirbüken-Wegner gestimmt und sie als erste Türkischstämmige in den CDU-Bundesvorstand gewählt. In Berlin stieß das Ergebnis neben positiven Reaktionen auch auf Ablehnung. „Es ist die falsche Wahl“, kritisierte der türkischstämmige Chef der Jungen Union (JU) in Friedrichshain-Kreuzberg, Timur Husein. „Jetzt haben wir einen Seehofer auf Türkisch“, sagte er in Anlehnung an den früheren CDU/CSU-Fraktionsvize, der gegen die Parteilinie stritt.

Demirbüken war mit Unterstützung von Bundeschefin Angela Merkel und großen Landesverbänden in den Parteitag gegangen. Ihre Wahl galt dennoch nicht als sicher, weil sie anders als die CDU den EU-Beitritt der Türkei befürwortet. Von den 26 gewählten Beisitzern bekam Demirbüken-Wegner mit 66,78 Prozent das drittschwächste Ergebnis. Sie betrachtete ihre Wahl als Erfolg, vor allem mit Blick auf die sonstigen Mitglieder, fast alles Parlamentarier, Oberbürgermeister oder Landesminister.

Die Berliner CDU hatte die 43-jährige Integrationsbeauftragte im November fast einstimmig nominiert. Allein Landesvize Kurt Wansner stimmte gegen sie. „Das ist für mich jetzt erledigt“, sagte er gestern, er wünsche ihr zur Wahl alles Gute. Demirbüken-Wegner und er hätten „möglicherweise immer wieder unterschiedliche Ansätze gehabt, aber wir sind in der gleichen Partei“.

JU-Landeschef Tim Peters, der die Nominierung heftig kritisiert hatte, mochte ihre Wahl nicht kommentieren. Das übernahm Kreischef Husein, ein 24-jähriger Jurastudent. Er hält ihr neben ihrer Haltung zum EU-Beitritt vor, dass sie zur CDU-Kampagne gegen den Doppelpass 1999 eine Gegenaktion startete. Für Husein war das „schon fast parteischädigend“. Die Partei habe Türkischstämmige, die CDU-Positionen besser als Demirbüken vertreten würden „und das auch in türkischstämmige Schichten tragen könnten“, sagte er der taz. Fraktionschef Nicolas Zimmer hingegen verspricht sich viel von ihrer Wahl, weil Demirbüken-Wegner gerne diskutiere und sich einmische. Kritische Diskussionen täten der Partei sicher gut.

Demirbüken reagierte gelassen auf die Aussagen Huseins: „Er ist noch jung und muss Politik noch lernen, die Zeit dazu gebe ich ihm.“ Sedat Samuray, einziger türkischstämmiger CDU-Ortsverbandschef in Berlin, begrüßte ihre Wahl: Sie sei nicht als Migrantin gewählt worden, „sondern wegen ihrer guten Arbeit“. Ein Sprecher des Türkischen Bundes sagte, es werde nun von Demirbüken-Wegner selbst abhängen, ob ihre Wahl bloß CDU-Feigenblattpolitik war oder nicht. Der neue Bundesvorstand tagt erstmals am 7. Januar, welchen Bereich sie dort übernimmt, ist noch offen.

STEFAN ALBERTI