: Menschenrechtler verwarnen Deutschland
Amnesty ist besorgt: Seit dem Daschner-Prozess diskutiert die Bundesrepublik, ob Folter nicht in Einzelfällen legitim sei
BERLIN taz ■ Die Ächtung der Folter – sie ist in Gefahr, meint Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von amnesty international. Dies zeige der Prozess gegen Wolfgang Daschner. Der ehemalige Vizepräsident der Frankfurter Polizei soll einem Entführer starke Schmerzen angedroht haben, damit der das Versteck seines Opfers preisgibt. „Beunruhigend viele Vertreter von Politik und Justiz“ hätten dies verteidigt, sagt Lochbihler. Viele forderten, Foltern müsse ausnahmsweise erlaubt sein. Die ai-Generalin findet das inakzeptabel. „Die Menschenwürde wäre dann nicht mehr unantastbar.“ So tragisch der Einzelfall sei – eine schleichende Einführung der Folter sei weit folgenreicher. „Wir hoffen sehr, dass das Urteil das geltende absolute Folterverbot bekräftigt“.
Vor allem aber müsse sich die deutsche Regierung dafür einsetzen, dass Menschen überall auf der Welt vor Gewalt geschützt sind. Ai schlägt vor, dass die EU mit der Türkei über einen Beitritt verhandeln soll. Die Organisation fürchtet, dass ein „Türzuschlagen“ den Reformeifer der türkischen Regierung bremst. Ist hingegen ein Beitritt möglich, lohne es sich für die Türkei, am Rechtsschutz zu feilen. So müht sich Ankara derzeit um ein verbessertes Strafgesetz: Erstmals ist klar und umfassend definiert, welche Taten als Folter gelten. Die Peiniger müssen mit hohen Strafen rechnen. Auch sind Frauen künftig zumindest auf dem Papier besser vor Gewalt geschützt: „Ehrenmorde“ werden schwer geahndet, ein Ehemann darf seine Gattin nicht mehr ungestraft vergewaltigen. Wenn ein Mann die Frau, die er missbraucht hat, heiratet, gilt das nicht mehr als strafmildernd.
Weltweit hingegen hat sich die Lage der Frauen in diesem Jahr nicht verbessert, bilanziert amnesty international. Im Gegenteil: Vor allem im Sudan, im Kongo und in Kolumbien werden Frauen zu Tausenden missbraucht. Oft wird sexuelle Gewalt gezielt als Kriegsmittel eingesetzt. Die Bundesregierung könnte versuchen, diesen Frauen besser zu helfen, meint Lochbihler: Deutsche Soldaten sollten geschult werden, wie sie schwer traumatisierten Frauen begegnen. „Die Gender-Perspektive eines Kriegs gehört auf den Lehrplan der Bundeswehr.“
COSIMA SCHMITT