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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Was dem Südländer seine La Ola, ist dem Deutschen sein Lamento. Wir können darüber streiten, wer linker war: Bismarck oder der Vermittlungsausschuss. Ansonsten gilt: Die Welt ist gerade in einer kreativen Pause

Von SR

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die jährliche Wiederkehr des Das-mach-ich-eben-noch-vor-Weihnachten-fertig-Infernos. Inklusive Standardspruch am Telefon: „Geht nicht, wir haben gerade Weihnachtsfeier.“

Was wird gut in dieser?

Alle schenken mir was. Gefälligst.

Eine ganz große Koalition hat die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses verabschiedet. Wird Deutschland ausgerechnet unter Rot-Grün thatcheristisch? Oder ist das übliche linke Alarmismus?

„Mit Bismarck auf die Barrikade“ wäre immerhin die bisher originellste Form linken Engagements in Deutschland. Die Kernfrage, ob der Hauptkonflikt dieser Gesellschaft noch entlang des Klassengegensatzes tobt, ist ausweichend bis gar nicht beantwortet worden. Bismarck zwang beide Seiten, Kapital und Arbeit, zur sonntäglichen Kollekte in die paritätische Sozialversicherung. Diesem Konzept der angewandten christlichen Nächstenliebe steht der amerikanische pursuit of happiness gegenüber: Der Staat räumt alles, einschließlich seiner selbst, weg, was den Einzelnen am Vorwärtskommen hindern könnte. Was von beidem wäre nun links?

Schröder hat es mal wieder geschafft, die eigenen Reihen zu disziplinieren. Leidet das Parlament unter diesen mittlerweile routiniert eingesetzten Erpressungen?

Der Vermittlungsausschuss hat getan, wofür er vorgesehen war: den aus leidvoller Weimarer Erfahrung fest installierten Zwang zur konstruktiven Lösung zu vermitteln. Der Rest ist nationale Feuilletonkultur: Was dem Südländer seine La Ola, ist dem Deutschen sein La Mento.

Hätten mehr Linke bei SPD und Grünen dagegen stimmen sollen?

Gibt’s da Linke ?

Der Vermittlungsausschuss hat sich irgendwie um eine paar hundert Millionen verrechnet. Die Maut kommt, vielleicht, im Sommer. Avanti dilettanti – was ist eigentlich los in der Politik?

So schnell müssen wir aber doch Waigels Loch-to-Loch-Jumping nicht vergessen haben.

Bush wünscht Saddam den Tod. Er wird wohl vor ein irakisches Gericht gestellt, das kaum unabhängig von den USA urteilen dürfte. Ist das o.k.?

Wären wir 45/46 reif gewesen, die Regie bei den Nürnberger Prozessen zu übernehmen ? Dies als bedingt tauglicher Vergleich, weil schon klar ist, dass es in Nürnberg um epochalere Verbrechen ging. Der internationale Rechtsgrundsatz, dass nur jenes Recht angewandt werden kann, das zum Zeitpunkt der Tat am Ort der Tat galt, spricht für ein möglichst autonomes irakischen Gericht. Leider benehmen die US-Besatzer sich schon mit dem Herzeigen des Gefangenen Saddam Hussein so mittelalterlich wie die Verhältnisse, die sie zu bessern vorgaben.

Was wäre die Alternative?

Der internationale Gerichtshof in Den Haag ist zu spät eingerichtet worden, um die älteren Verbrechen zu verfolgen. Aber mit Blick auf das dringend voranzustellende Selbstbestimmungsrecht des irakischen Volkes wäre er sowieso nur zweite Wahl. Daran ändert auch nichts, dass die Amerikaner so viel Angst vor ihm haben und ihn nicht anerkennen.

Die Bundeswehr will in Afghanistan keine Opiumfelder abernten – die dortigen Großdealer fänden das nicht gut und seien zu gefährlich. Richtig oder falsch?

Im Ernst?

Ja.

Wahrscheinlich haben sie Recht.

Liebe tote Drogis als tote Soldaten?

Die Afghanen müssen sich prostituieren, wie sie sich in den letzten dreißig Jahren prostituiert haben. Entweder setzen sie auf die Durchleitung von Öl oder auf den internationalem Drogenhandel. Wer nichts vom Ölgeld abbekommt, baut Opium an. Das zu beenden können sie nur selbst regeln, oder es wird nie geregelt. Das schafft erst recht die Bundeswehr nicht.

In Hamburg geht der Prozess gegen den gerade freigelassenen Abdelghani Mzoudi weiter, der jetzt vielleicht doch kein Terrorist ist. Soll er politisches Asyl erhalten, um den Vereinigten Staaten nicht in die Hände zu fallen?

Wenn die Amis die Unterlagen nicht rausrücken, sollen sie still sein und schauen, wie in Deutschland etwas so Exotisches wie ein Rechtsstaat versucht wird.

Außerdem wird für Dienstag das Urteil gegen die Nazi-Band „Landser“ erwartet. Gehören die in den Knast?

Was sie gemacht haben, war musikalisch getarnte Ideologie. Ob das für eine kriminelle Vereinigung taugt – wir werden es sehen. Für die wäre im Gegensatz zu Mzoudi Amerika ein sicheres Drittland. Da dürften sie alles.

Und was sollen taz-Leser Weihnachen machen? Boykottieren? Mitmachen? In die Kneipe gehen? In die Kirche gehen?

Oder in sich. Schmidt, Saddam, BVB, irgendwie ist die Welt doch gerade im Kreative-Pause-Fieber.

Was machen Sie Weihnachten?

Frei. Nächste Kolumne erst wieder am 4. Januar.

Und was macht Borussia Dortmund?

Vereinbart 100.000 Euro Strafe mit Amorosos Management wg. Fernbleibens, könnte mittelfristig Haupteinnahmequelle werden. Neben Bochum ist übrigens auch RW Oberhausen eine schöne Alternative für die Fans.

FRAGEN: SR