: Scharfe Angriffe auf das Öko-Institut
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer kritisiert die Freiburger Wissenschaftler: Sie versetzten dem Erneuerbare-Energien-Gesetz „den Todesstoß“. Dabei geht es um die Frage, wie Öko-Strom auf Dauer sinnvoll gefördert werden kann
VON MATTHIAS URBACH
Wegen seiner Unterstützung eines Zertifikate-Systems zur Förderung erneuerbarer Energien ist das Öko-Institut unter scharfe Kritik geraten. Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter und Präsident von Eurosolar, sieht darin einen Angriff auf das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Wenn sich die Anhänger des Zertifikatesystems auf europäischer Ebene durchsetzten, wäre das „der Todesstoß fürs EEG“, urteilt Scheer. „Das Öko-Institut ist dabei, das atmosphärisch mit zu betreiben.“
Hintergrund ist die Beteiligung des Öko-Instituts am Renewable Energy Certificate System (RECS), für das das Institut in Deutschland als eine Art Schiedsrichter über die richtige Anwendung wacht. Derzeit arbeitet die EU-Kommission am neuen Ziel für den Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2020 und an der Harmonisierung des Strommarktes. Dabei geht es auch um nationale Fördersysteme für Wind- und Sonnenkraft.
Im Wesentlichen zwei Systeme stehen in Konkurrenz: Das Prinzip des EEG, wie es in Deutschland und Spanien betrieben wird, und das Quotenmodell, wie es in Großbritannien, Dänemark oder Schweden existiert. Beim EEG- oder Zuschussmodell wird den Ökostromern garantiert, dass ihr Strom zu einem festen, kostendeckenden Preis abgenommen wird. Beim Quotenmodell (auch Zertifikatemodell genannt) schreibt der Staat den Stromversorgern vor, einen festen Anteil ihres Stroms aus Erneuerbaren zu gewinnen. Für jede produzierte Kilowattstunde Ökostrom erhält man ein Zertifikat. Entweder produziert der Versorger den Ökostrom selbst, oder er muss – wie beim Emissionshandel – Zertifikate etwa von Windrädern kaufen. Die EU-Komission und die OECD halten dieses Modell für „marktkonformer“ als das EEG.
Tatsächlich ist es einfacher, solche Systeme europaweit zu harmonisieren. Fakt ist aber auch, dass das EEG zu einem schnelleren Ergebnis führt, weil die feste Vergütung den Anlagenbauern Investitionssicherheit gibt. In Dänemark ist etwa der Zubau von Erneuerbaren drastisch eingebrochen, seit das Land 1999 vom Zuschuss- auf ein Zertifikatsmodell umstieg.
Das sei nicht bloß ein Streit zwischen Denkschulen, argumentiert Scheer. „In Wirklichkeit ist es ein Interessenkonflikt, den die Stromwirtschaft gegen erneuerbare Energien austrägt – unter der Tarnkappe der Marktlehre.“ Tatsächlich sind Firmen wie Eon, RWE oder EdF Mitglieder von RECS. Sie alle haben die Förderung der Erneuerbaren radikal bekämpft.
Christof Timpe, verantwortlich für RECS am Freiburger Öko-Institut, wehrt sich gegen die Kritik. „Ich zähle mich zu den Freunden des EEG.“ Sicher gebe es beim RECS einige, die dagegen kämpften. „Aber man darf das nicht mit dem System gleichsetzen.“ Schließlich sei das RECS in erster Linie ein Verrechnungssystem, das auch zur transparenten Abrechnung beim EEG verwandt werden könne. Auch Timpe findet, dass „zu den heutigen Rahmenbedingungen ein Quotenmodell eine schlechte Lösung“ sei. Würden aber die Preisunterschiede zwischen Kohle- und Windkraft kleiner, könne ein Quotenmodell besser sein. „Es geht auch darum, wie man das EEG zukunftsfähig macht.“
Sven Teske, Aufsichtsrat vom Ökostromer Greenpeace energy, nimmt das Öko-Institut in Schutz. „Das sind Wissenschaftler und die müssen frei denken.“ Zudem sei klar, dass etwa in Großbritannien das deutsche System nicht durchsetzbar sei. Besser wäre es daher, Eckpunkte für eine europäische Einigung zu formulieren und zu warten, „bis sich organisch ein einheitliches System entwickelt“.