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Archiv-Artikel

In Berlin leben, in Hamburg Geld machen

Ab Sonntag braucht der ICE von Berlin nach Hamburg nur noch 90 Minuten. Damit rückt die Hansestadt in Pendelnähe

An der Alster richtig Geld verdienen und an der Spree schön billig wohnen – das rückt ab Sonntag in greifbare Nähe. Mit dem Fahrplanwechsel der Bahn AG verkürzt sich die Fahrzeit des ICE zwischen Berlin und Hamburg um eine halbe Stunde auf 93 Minuten. Damit rückt die Boomtown Hamburg in Pendelnähe. Anderthalb Fahrstunden für eine Strecke sind schließlich nichts Ungewöhnliches – zumindest nicht in Westdeutschland.

650 Millionen Euro kostete der Ausbau der Strecke für bis zu 230 km/h, und richtig schnell ging es. Nach dem Aus für den Transrapid wurden Planfeststellungsverfahren und Bauarbeiten in Rekordzeit absolviert. Immerhin 56 beschrankte Bahnübergänge mussten auf der 286 Kilometer langen Strecke ersetzt werden. Und weil der ICE künftig im 2-Stunden-Takt von A nach B durchrauscht, mussten auf den Bahnhöfen dazwischen Gitter gebaut werden. Geschwindigkeitssog ist nicht nur schön, er kann auch gefährlich werden.

Nicht nur potenzielle Hamburg-Pendler reiben sich die Hände, sondern auch die Tourismuswerber. Mit 12 Millionen Übernachtungen ist Berlin die Nummer 3 in Europa, da will auch Hamburg etwas vom Kuchen abhaben. Tagesausflüge? Künftig kein Problem mehr, auch umgekehrt nicht. Der Geschäftsführer der Berlin Tourismus Marketing GmbH, Hans-Peter Nerger, plant sogar ein Kooperationsabkommen mit der Hansestadt.

Doch nicht überall herrscht eitel Freude. Namentlich in Brandenburg und Mecklenburg ärgert man sich, dass es künftig heißt: Kein Anschluss an dieser Strecke. Einzig ein Zugpaar am Tag hält am – extra dafür ausgebauten – Bahnhof Wittenberge. Ansonsten heißt es: Zurückbleiben bitte. Während Raum und Zeit zwischen den Metropolen zusammenschnurren, dehnen sie sich am Streckenrand ins Weite. Gleichwertige Lebensverhältnisse? Bei der Bahn schon lange nicht mehr.

Und teurer wird das Ganze auch. 55 Euro pro Strecke kostet der Spaß, 6 Euro mehr als bisher. Wer’s billiger will, muss auf den Intercity umsteigen, der zwischen den ICE eingetaktet ist. Der braucht zwar etwa länger, hält dafür aber öfter.

Apropos pendeln. Vielleicht gibt es ja ein paar Hartgesottene, die noch knallharter rechnen. Geld verdienen in Hamburg und abrisswohnen in Leipzig. Auch das ist möglich. Der Super-ICE endet nämlich nicht in Berlin, sondern fährt abwechselnd weiter nach Leipzig, Dresden oder Prag. UWE RADA