: Das Labyrinth zwischen den Pfeilern
Im Innern der Deutzer Brücke findet das anspruchsvolle „Projekt Z Null“ seinen Abschluss. Dreizehn Jahre lang haben Kölner Künstlerinnen und Künstler mit ihrer Arbeit Antworten auf die Frage gesucht, was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält
VON JÜRGEN SCHÖN
57 Fahnen, abwechselnd weiß und gelb, gebündelt in Dreiergruppen, wehen wie tibetanische Gebetswimpel auf der Deutzer Brücke – leer die gelben, mit über 400 Versen aus aller Welt beschrieben die weißen. „Silbentanz“ heißt das Kunstwerk und ist der weithin sichtbare Teil einer Ausstellung, die sich im Innern der Brücke verbirgt. Ihr Titel: „Über die Brücke durch das Labyrinth“. Es ist der Abschluss einer sich über 13 Jahre erstreckenden ambitionierten Ausstellungsreihe.
Rückblick: Drei Männer – ein Heizungsbauer, ein Ingenieur, ein Politologe – sitzen zusammen und diskutieren über die Welt. Unter dem Eindruck von Tschernobyl, des nahenden Golfkriegs und einer Ausstellung mit der Kunst australischer Aborigines kommen sie bald auf grundlegende Fragen des menschlichen Lebens. Existenzielle Fragen wie: Welche Verantwortung hat der Einzelne gegenüber seinen Mitmenschen? Welche Zufälle bestimmen den Gang der Welt? Oder: Wie kann ein einzelner Mensch die Gleichzeitigkeit der Ereignisse wahrnehmen? Das Trio war sich schnell einig, dass solche metaphysischen Fragen auch durch Kunst gestellt und manchmal auch beantwortet werden können – „eine rein wissenschaftliche Abhandlung wäre langweilig gewesen“, sagt Thomas Behrendt, Heizungsbauer, Dichter und treibender Motor des Ganzen. Die Idee zu „Projekt Z Null: 13/13 zwischen den Jahrtausenden“ war geboren. 1991 fand die erste Ausstellung statt, seitdem immer wieder zwischen den Jahren und stets vom Kulturamt gefördert.
Was sich im Nachhinein stark vereinfacht darstellen lässt, lief in Wirklichkeit komplizierter und weniger geplant ab. „Es hätte auch alles schief laufen können“, gesteht Behrendt. Die Themen der nachfolgenden Ausstellungen entwickelten sich aus den voran gegangenen. Große Themenkomplexe wurden dabei abgearbeitet: die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die Gegensatzpaare apollinisch-dionysisch oder Erinnern-Vergessen.
Mindfuck? In einer Zeit, in der Theorie oft wichtiger erscheint als sichtbare Kunst, liegt dieser Verdacht nahe. Doch führt dieses sperrige Konzept, wenn man sich darauf einlässt, zurück auf eine wesentliche Aufgabe der Kunst als elementare Ausdrucksform – die bildende mit all ihren Mitteln ebenso wie Musik oder Literatur: zu erkennen, „was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält“. Ein bisschen Zahlenmystik ist auch dabei. Im Mittelpunkt steht die Zahl drei, die sich immer auch in der Ausstellungspräsentation widerspiegelte – so viele Stadien, wie jedes Ritual in der Geschichte der Menschheit hat, erklärt Behrendt: Trennung, Neudefinition, Rückkehr. So folgte auf jeweils drei Ausstellungen eine Zusammenfassung. Und die Zusammenfassung der bisherigen drei Vierergruppen ist die aktuelle Ausstellung.
28 Künstlerinnen und Künstler zeigen Fotos, Gemälde, Skulpturen, Installationen, Schwarzlichtarbeiten, schlagen einen weiten thematischen Bogen. Alle waren schon einmal bei „Projekt Z Null“ dabei, fast alle kommen aus Köln, etwa Jo Pellenz, Peter Pick, Carola Willbrand. Christel Plöthner greift eine alte „Z-Null“-Arbeit auf und ergänzt das authentische Flüchtlingsbett aus einem deutschen Nachkriegslager durch aktuelle Kriegsfotos. Eusebius Wirdeier setzt einen ironischen Fotokommentar zum Kulturloch am Neumarkt.
Ganz am Ende Günter Vossieks „Abtransport“: Seine bunte Reihe aus den Zeichen, mit denen die Nationalsozialisten KZ-Häftlinge kategorisierten, schwankt auf angedeuteten Wellen und verschwindet irgendwo im Dunkel der Brücken. Dieses Symbol für den Verlust von Menschen und Menschlichkeit ist ein eindrucksvoller Abschluss der Ausstellung – wenn auch nicht gerade ein hoffnungsfroh stimmender. Denn die Frage nach dem Warum kann dieses Bild nicht beantworten. Vielleicht braucht „Projekt Z Null“ doch noch eine Fortsetzung.
„Projekt Z Null“: Eröffnung: heute, 18 Uhr, bis 8. Januar 2004 täglich 11-22 Uhr, Deutzer Brücke, Eingang Markmannsgasse.