Schwarz-Schills Selbstzerfleischung

Wellinghausen, Lange, Schill: Das Jahr der permanenten Regierungskrise brachte die Hamburger Rechts-Koalition zum Kippen. Bis zuletzt versuchte Bürgermeister von Beust die Probleme auszusitzen und wird dafür auch noch öffentlich belobigt

Innerhalb von zehn Tagen zertrümmerte Schill seine eigene Partei und die Rechts-Koalition gleich mit

von SVEN-MICHAEL VEIT

Es war am 19. August, als das Rechts-Bündnis in der Hansestadt zerbrach. Offiziell bekannt gegeben wurde dies zwar erst vier Monate später, aber das war lediglich unbegründetem Optimismus und politischer Fehleinschätzung geschuldet. Der Mann aber, der dies zu verantworten hat, steht dennoch scheinbar unangreifbar über all den Dingen, als ob sie ihn nichts angingen: CDU-Bürgermeister Ole von Beust erweist sich als Überlebenskünstler, denn die Fehler lässt er andere machen.

Zuvörderst Ronald Schill.

Als dieser den Bürgermeister an jenem hochsommerlichen Dienstag mit dessen angeblicher intimer Beziehung zu seinem alten Studienfreund, Justizsenator Roger Kusch (CDU), zu erpressen versuchte, warf von Beust seinen Stellvertreter aus dem Senat. Eine „dreckige Homo-Erpressung“ (Bild) im „Rosa Rathaus“ (Spiegel) wühlte die Republik auf, die Rollen waren eindeutig verteilt: Von einer Frage der „persönlichen Ehre“ sprach von Beust und davon, dass Schill „für das Amt eines Hamburger Senators charakterlich nicht geeignet“ sei.

Das aber hätte er schon viel früher wissen können.

An Warnungen, den Rechtspopulisten nicht gesellschaftsfähig zu machen, hatte es bereits im Wahlkampf 2001 nicht gemangelt, CDU und von Beust aber wollten nicht hören, sondern endlich mal in Hamburg regieren. Wegen seiner Eklatrede im Bundestag und der Forderung, das Moskauer Theater-Giftgas auch in Deutschland einzusetzen, hatte Schill sich bereits 2002 die gelbe Verwarnungskarte vom Regierungschef abgeholt. Auch den Affären von Schills Staatsrat Walter Wellinghausen, der so nebenbei lukrativen Beschäftigungen nachging, sah von Beust wochenlang tatenlos zu – wohlwissend, dass sein Innensenator auf das Arbeitstier und Organisationstalent Wellinghausen angewiesen war. Als von Beust dann endlich handelte, drohte Schill mit Enthüllungen unterhalb der Gürtellinie und musste auch gehen.

Aber er kam wieder.

Inzwischen aber musste ein anderer gehen. Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) wurde am 17. November vom Bürgermeister zum Rücktritt gezwungen. Damit war von Beust beider Spitzenmänner seiner Koalitionspartner verlustig gegangen – nach den üblichen politischen Maßstäben in Deutschland ein beispielloses Debakel, aber nicht in Hamburg.

Ein ums andere Loch im Etat der Kindertagesstätten hatten den Admiral a. D. nach monatelangem öffentlichen Proteststurm zum Kentern gebracht. Zwar hatte Lange nur umsetzen wollen, was die gesamte Koalition vereinbart hatte: die ideologisch auf Marktwirtschaft fixierte Neuausrichtung des Kita-Systems (siehe Chronik Teil 1). Doch hatte er sich dabei so unbedarft angestellt, dass von Beust und Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) ihm das Vertrauen entzogen. Sein Nachfolger Reinhard Soltau (FDP) bekommt nun die Millionen, die Lange hatte haben wollen, und muss schnellstens versuchen, den Schaden in Grenzen zu halten. Denn das Kita-Debakel drohte die gesamte Rechts-Koalition ins Wanken zu bringen und die Chancen der Liberalen auf einen erneuten Einzug in die Bürgerschaft auf ein Minimum zu reduzieren.

Viel Zeit bleibt Soltau dafür nicht.

Denn morgen wird die Bürgerschaft das vorzeitige Ende der Legislaturperiode beschließen, voraussichtlich am 29. Februar wird neu gewählt. Denn die Hoffnung des Bürgermeisters, nach Schills Rauswurf weiterregieren zu können, trog.

Ende November kam Schill aus mehrmonatigem Urlaub zurück und wurde umgehend als Landesvorsitzender der Schill-Partei wiedergewählt. Jener Partei, die er gegründet hatte, jener Partei, die im August binnen Minuten übereingekommen war, auch ohne ihr Idol an der Macht verbleiben zu wollen. Der einst gnadenlose Richter startete umgehend einen politischen Amoklauf, der seinesgleichen sucht in der Geschichte bundesdeutscher Parlamente. Innerhalb von zehn Tagen zertrümmerte er seine eigene Partei und die Rechts-Koalition gleich mit.

Und Ole von Beust tat wieder so, als stehe er über den Dingen. „Jetzt ist finito“, verkündete er am 9. Dezember, das „Kasperletheater mit zum Teil psychopathischen Zügen“ mache er nicht länger mit, jetzt müssten Neuwahlen her.

Es war das Jahr der permanenten Regierungskrise in Hamburg, aber der politisch Verantwortliche steht strahlend da. Selbst die absolute Mehrheit scheint erreichbar für den Mann, der vor gut zwei Jahren mit dürftigen 26,5 Prozent Bürgermeister wurde, weil er ein Bündnis mit einem Unbeherrschbaren und einem Unfähigen schmiedete.

Beide blieben auf der Strecke.