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Archiv-Artikel

Schacher ums Länderveto

Um die Blockademacht der Länder zu brechen, will die Föderalismuskommission ihnen viele Exklusivrechte einräumen

VON CHRISTIAN FÜLLER

Föderalismus geht in Zukunft ungefähr so. In München präsentiert Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier die Pisa-Ergebnisse ihres Landes. Bayern findet sich bei dem internationalen Schultest der OECD-Staaten in der Gegend von Platz 8. In Berlin darf derweil der amtierende Präsident der Kultusministerkonferenz den doofen Rest Deutschlands vorstellen. Der wird irgendwo zwischen den Plätzen 16 und 22 einsortiert.

Das ist keine Fiktion, sondern der Wunsch des Kovorsitzenden der Föderalismuskommission, Edmund Stoiber (CSU). Die Kommission, die den überkommenen Bundesstaat neu ordnen soll, biegt gerade in die Zielgerade ein. Ende der Woche sollen die Vorarbeiten beendet sein, dann dürfen Bundestag und Bundesrat die Ergebnisse abnicken. Die Parteivorsitzenden von CSU und SPD, Edmund Stoiber und Franz Müntefering, trafen sich Sonntagabend zu einer letzten Redaktionssitzung.

Wie das mit dem Föderalismus zu verstehen sei, sagte der CSU-Chef allerdings nicht seinem SPD-Pendant, sondern dem Münchner Merkur. „Jetzt hat man den Eindruck, Deutschlands Schüler seien schlecht“, empörte sich Stoiber – und rückte die Verhältnisse gleich zurecht, „wir sind in Wirklichkeit viel besser.“ Also müsse der Freistaat seine Pisa-Leistungen selber an die OECD in Paris melden – unabhängig von Deutschland.

Viele Beobachter befürchten, dass dies das eigentliche Resultat des Austarierens zwischen der Berliner Zentralgewalt und den 16 Bundesländern sein wird: Der Abstand zwischen Starken und Schwachen wird größer. Die finanzstarken Staaten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen werden die Pleitiers Bremen und Saarland sowie die armen Kirchenmäuse aus dem Osten abhängen. Aus dem kooperativen soll ein Wettbewerbsföderalismus werden. Die Länder bekommen die Hoheit, diverse eigene Regelungen zu erlassen (siehe unten). Ein klarer Vorteil für die derzeitigen Leittiere in der bundesrepublikanischen Herde: Die Bullen aus dem Süden erlassen ihre Gesetze zum Nachteil der Mähren aus dem Norden und Osten.

Niemand zweifelt daran, dass die Kommission einen Erfolg erzielen wird – einen kleinen. Eine grundstürzende föderale Neuordnung ist nicht zu erwarten. „Es wird ein positives Gesamtergebnis geben“, verbreitete gestern SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter Optimismus für die letzte Sitzung. Die verhedderten Zuständigkeiten von Bund und Ländern freilich werden kaum entwirrt. Konnte der Bundesrat bislang bei jedem zweiten Gesetz ein Veto einlegen, wird es künftig halt jedes dritte sein.

Zudem ist die Liste der strittigen Fragen lang, und es sind auch keine Kleinigkeiten, bei denen noch Dissens besteht. Innenminister Otto Schilys Ansinnen, das Kriminalamt des Bundes aufzumuskeln, gehört ebenso dazu wie des Kanzlers Europaspezialität. Gerhard Schröder will die Kompetenzen der Länder bei der Mitsprache in der EU zurückdrängen – Edmund Stoiber, der jüngst erst eine bombastische bayerische Botschaft in Brüssel („Neuwahnstein“) eröffnete, will gerade das Gegenteil.

Am schwersten wiegt allerdings das Politikfeld Wissen. Während Schule und Hochschule gesellschaftlich als Zukunftsressource gelten, werden sie in der Föderalismuskommission eher als Gedöns angesehen – das der Bund ohne viel Federlesens den Ländern überlassen sollte. Dagegen formiert sich Widerstand. Selbst der zurückhaltende Chef des Max-Planck-Bildungsinstituts, Jürgen Baumert, der politische Händel gern unterlässt, hat das Wort ergriffen. Es sei fraglich, ob die Länder allein in der Lage wären, wichtige Bildungsprogramme anzuschieben. Der Leiter der Pisa-Studie 2000 sagte das mit Blick auf die regionalen Pisa-Ergebnisse – die hierzulande viel weiter auseinander driften als in anderen föderalen Staaten.

Die Länder allerdings wollen die koordinierende Hand des Bundes bei Schulfragen binden – die Bildungsplanung etwa, organisiert bislang in einer Bund-Länder-Kommission (BLK), soll komplett wegfallen. Dabei hat die BLK anerkannt wichtige Reformschritte eingeleitet. Das viel beklatschte Programm zur Verbesserung des Mathematikunterrichts etwa wurde dort vereinbart. Ein ähnliches Projekt für die systematische Leseförderung blockieren die Länder bislang – obwohl Deutschland in dieser Kategorie bei Pisa am schlechtesten abgeschnitten hat. „Es wäre ein Jammer, wenn die Bildungsplanung entfiele“, sagte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Ludwig Eckinger, gestern zur taz, „sonst herrscht Provinzialismus und Partikularismus pur.“

Ähnliche Befürchtungen gibt es in der Uniszene. Schon die Übertragung des Hochschulbaus auf die Länder (von Großgeräten abgesehen) löste Unbehagen aus. Dass jedes Land für sich den Zugang zu den Unis regeln könnte, rief selbst bei Kommissionsmitgliedern Kopfschütteln hervor. „Die Mobilität der Studierenden und der Absolventen im Bundesgebiet darf nicht behindert werden“, sagte die grüne Fraktionschefin Krista Sager. Sie warnte: Dies gefährde den Abschluss der Kommission.

Aber so sieht Föderalismus in Zukunft wohl aus.