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Archiv-Artikel

Rau will Atempause

Bundespräsident: „Den Menschen nicht zu viel zumuten.“ Beim Kopftuch für Gleichbehandlung aller Religionen

Von RAB

BERLIN taz ■ Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit findet Bundespräsident Johannes Rau (SPD), bislang eher für pastorale Töne bekannt, doch noch deutliche Worte. Hatte er den Parteifreund im Kanzleramt schon zu Weihnachten ermahnt, seine Politik „nicht nur an wirtschaftlichen Maßstäben“ auszurichten, so legte das Staatsoberhaupt gestern in einem ZDF-Interview noch einmal nach – und plädierte für eine Verschnaufpause bei Gerhard Schröders Sozialreformen. Erst müsse man die bereits beschlossenen Veränderungen „gestalten“, bevor man schon wieder über andere Neuerungen rede, mahnte Rau. „Man darf den Menschen auch nicht zu viel zumuten.“

In überraschendem Einklang mit Schröder zeigte sich der bekennende Protestant Rau dagegen in der Kopftuchfrage. Die öffentliche Schule müsse „für jeden zumutbar sein“. Deshalb dürfe „nicht durch religiöse Symbole, die der Lehrer mit sich trägt, eine gewisse Vormachtstellung gesucht werden“. Gleichzeitig forderte Rau aber die „Gleichbehandlung aller Religionen“. Wenn das Kopftuch als „missionarische Textilie“ gelte, dann müsse das „genauso gelten für die Mönchskutte, für den Kruzifixus“. Rau räumte allerdings ein, dies werde „in Bayern etwas anders gesehen als im Rheinland“.

In Bezug auf sein eigenes Amt forderte Rau, den Bundespräsidenten künftig per Direktwahl zu bestimmen. Das gehe aber nur mit zusätzlichen Kompetenzen, damit „ein bestimmtes Spannungsverhältnis“ zum Amt des Bundeskanzlers entstehen könne. Statt der bisher fünfjährigen Wahlperiode mit Option auf Verlängerung forderte der Präsident eine siebenjährige Amtszeit „ohne die Möglichkeit der Wiederwahl“. Rau ließ durchblicken, dass er seine fünf Jahre im Amt als zu kurz empfindet. Er hat wegen der zugunsten der Union geänderten Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung keine Chancen auf Wiederwahl und kandidiert im Mai darum nicht. Zu seinen persönlichen Plänen nach dem Auszug aus dem Berliner Schloss Bellevue äußerte sich Rau noch nicht. RAB