WIE DIE BLAUE TÜTE STEHT EICHEL FÜR DIE KRISE : Der Aldi-Minister
Wird Hans Eichel noch gebraucht? Das Loch im Haushalt immer schwärzer, die Bilanzen immer röter – die schlechten Nachrichten, sagen die Auguren, soll der Hesse noch verkünden. Kommt der Aufschwung, dann ist Schluss. Vorausgesetzt, es findet sich ein Nachfolger.
Das Jahr 2003 hat es nicht gut gemeint mit dem herrlich biederen Minister. Erst die Niederlagen im Ringen um Reformen, dann das Aus für den Stabilitätspakt der EU, am Ende dann ein schaler Sieg im Steuerstreit, errungen nicht im eigenen Lager, sondern allein durch die Opposition.
Aber Hans Eichel ist nicht schuld. Von den tragischen Figuren, die Rot-Grün hervorgebracht hat, verdient er als Einziger Mitleid. Er ist kein störrischer Alter wie Manfred Stolpe, er ist kein eitler Pfau wie Rudolf Scharping. Eigentlich war er überhaupt kein politischer Akteur. Er war, im Aufstieg wie im Fall, Objekt für Projektionen anderer.
Der Scheitel akkurat, die Brille zeitlos, das Sakko im kleinen Karo: Zu Zeiten der windigen New Economy war Eichel wie geschaffen, die beruhigende Solidität des Buchhalters zu verkörpern. Solange man selbst noch mit vollen Händen Geld ausgeben konnte, hörte man die Mahnung zur Sparsamkeit gern. Sie beruhigte das schlechte Gewissen.
Doch seit das Sparen nicht mehr Attitüde ist, sondern bittere Notwendigkeit, hat es seinen Reiz verloren. Dem Minister geht es wie der Billigkette Aldi: Auch der Discounter ist in der Krise nicht mehr Kult. Das Antlitz des Ministers steht wie die blaue Plastiktüte für den Ernst der Lage. Das macht beide nicht sonderlich beliebt, aber zumindest die Lebensmittelläden werden mehr denn je gebraucht. Wer weiß: Vielleicht gilt das ja auch für glücklose Minister. RALPH BOLLMANN