: Einseitiger Blick verstellt die Sicht
Das Kölner Stadtplanungsamt stellt sein „Höhenentwicklungskonzept“ öffentlich zur Diskussion. Experten kritisieren die Höhenvorgaben, Großkomplexe und das Nachgeben gegenüber Investoren
Von Jürgen Schön
Neue Hochhäuser wird es in Köln nicht mehr geben. Stattdessen nur noch „vertikale Verdichtungen“. Geradezu verliebt waren die Verantwortlichen vom Stadtplanungsamt in ihre Neusprech-Wortschöpfung für alle Häuser, die noch höher sind als ihre ohnehin hohe Nachbarschaft. Sie hatten am Dienstag zu einem Expertenseminar ins Rathaus geladen, um ihr „Höhenentwicklungskonzept“ zu diskutieren, das die Bauhöhen im linksrheinischen Köln regeln soll.
Die Stadt reagiert damit auf die UNESCO, die den Dom wegen des Sicht störenden LVR-Hochhauses in Deutz auf die Rote Liste der gefährdeten Weltkulturstätten setzte und für ihn eine Pufferzone fordert (taz berichtete). Ausgangspunkt des Konzepts ist das Rheinpanorama zwischen St. Kunibert und Ubierring. Es soll, von Deutz aus gesehen, nicht von Hochbauten gestört werden – Bestehendes darf bleiben.
Vom Ufer bis zur Nord-Süd-Fahrt soll die maximale Bauhöhe künftig 20 Meter betragen. Die im 19. Jahrhundert erbaute Neustadt zwischen Ringen und Eisenbahn bleibt unverändert. Im zwischen diesen Bereichen liegenden „Geschäftsviertel“ – im Norden begrenzt durch die Kyoto-, im Süden durch die Weyerstraße – sollen Höhen bis 22,5 Meter erlaubt sein. Innerhalb von Häuserblöcken, darf es auch schon mal höher sein. Bis 40 Meter sind für „Solitäre“ an markanten Orten erlaubt, etwa wo Ausfallstraßen die Ringe kreuzen. Um Dom, romanische Kirchen und andere Denkmäler soll es gestaffelte „Schutzzonen“ geben.
Die Experten auf dem Podium zeigten sich als Verteidiger eines von Kirchen geprägten Kölner Stadtbilds, ohne sich dabei Neuem zu verschließen. Doch warnten sie davor, alten Bausünden neue folgen zu lassen. Großkomplexe wie Parkhäuser, WDR oder der Gerlingbau am Friesenplatz hätten die für Köln charakteristische Kleinteiligkeit zerstört. Deshalb empfahl Gerhard Curdes, Stadtplanungsprofessor aus Aachen, künftig kleinparzelliger zu planen.
Wie er vermisste auch der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven in dem Konzept „Qualität“ als Bauziel. Hier habe Köln schon zu oft den Investoren nachgegeben, sagte er und forderte, deren Höhenrausch standzuhalten. „40 Meter in der Innenstadt sind zu hoch. Wer in Köln investieren will, tut dies auch, wenn er 20 Meter niedriger bauen muss.“
Kritik gab es auch, weil das Konzept nur das Linksrheinische berücksichtigt und sich allein am Rheinpanorama ausrichtet. „Wer sich Köln vom Westen nähert, hat eine erschreckende Aussicht“, stellte eine Zuhörerin unter lautem Beifall fest. Uneinigkeit herrschte über die Zielrichtung der Stadtentwicklung. So meldete sich Ex-OB Norbert Burger mit dem Wunsch, das „Köln des 21. Jahrhunderts“ mit Hochhäusern im Rechtsrheinischen zu bauen, während linksrheinisch alles beim Alten bleiben soll. Star-Architekt Gottfried Böhm konterte: „Auch das ,alte‘ Köln muss entwickelt werden, darf kein Museum werden.“
Als „ersten Schritt“ in die richtige Richtung lobte das Podium das öffentliche Seminar. Man solle sich Zeit nehmen, das Höhenentwicklungskonzept mit den Bürgern zu diskutieren, forderten die Teilnehmer. Doch das könnte zu spät sein. Für Unter Sachsenhausen, in Sichtweite von St. Gereon, ist ein fast 40 Meter hoher Gebäudekomplex geplant, zwischen Bismarckstraße und Friesenplatz träumt ein Investor gar von 55 Metern.