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Archiv-Artikel

Inseln der Illusionen

In der früheren Cargolifter-Halle lockt ab Sonntag Tropical Islands, das größte Spaßbad der Republik, mit Lagunen, Stränden, Palmen. Ziel: 2,5 Millionen Besucher jährlich. Kritiker zweifeln an Konzept

VON FRIEDER BECHTEL

Am Anfang steht eine zugige Windschleuse. Dann betritt man eine Ferienwelt der Superlative. Sie nennt sich Tropical Islands und ist das megalomanische Paradies der Freizeitgesellschaft, untergebracht in der größten stützenlosen Halle der Welt. Inmitten des Riesenraums ragt ein künstlicher Hügel auf. Darunter liegen Sandstrände wie in der Karibik und fremdartig anmutende Tropenhäuser. Beim Blick hinauf zu den Wipfeln der aus Südamerika eingeflogenen Regenwaldbäume kommt unwillkürlich der Gedanke auf, ob eine Gebirgswelt die Halle vielleicht doch besser ausgenutzt hätte. Das Dach ist 107 Meter hoch. Aber der Gedanke schmilzt wie Eis: Hier herrschen subtropische Temperaturen. Ab Sonntag können das auch die Besucher erleben.

Im Tropical Islands Resort, der neuen Südseewelt inmitten märkischer Wälder nahe dem Örtchen Brand, wird letzte Hand an das größte künstliche Spaßbad angelegt. In zwanzig Meter Höhe klettern Arbeiter an der Hülle des kolossalen Bauwerks. Weit unter ihnen basteln asiatische Kollegen das Tropendorf mit balinesischen Häusern zusammen. Authentizität der Kulisse ist die Vorgabe – auch für die holländischen Gärtner, die tausende Pflanzen pflegen und über die 150 Jahre alten Ficusbäume aus Thailand wachen, damit sie nicht im Bauschutt verenden.

Man will in Brand hoch hinaus. Wie schon einmal: 1998 sollten in dieser Halle Luftschiffe nie gekannten Ausmaßes, der so genannte Cargolifter, gebaut werden. „Cargolifter – leichter als Luft“, sagt heute noch schwärmerisch Steffen Kammradt, Sprecher des Brandenburger Wirtschaftsministeriums, jedes Mal, wenn er von den überambitionierten Plänen der Luftschiffbauer spricht. „Leichter als Luft!“ – mit diesem Slogan verband man vor ein paar Jahren noch Hochtechnologie. Heute, nachdem die Firma insolvent und abgewickelt worden sei, klinge es ein bisschen wie ein Schimpfwort. Tropical Islands – das ist Kammradt wichtig – habe außer der Halle mit dem Cargolifter nichts gemein. Nicht einmal das, was in Brandenburg für Mammutvorhaben solcher Art in der Vergangenheit üppig floss, nämlich Geld vom Land. Tropical Islands ist ein rein privatwirtschaftliches Projekt – vorerst jedenfalls: Über einen Antrag auf 13 Millionen Euro Fördermittel wird in Potsdam noch beraten.

Colin Au heißt der Mann, der in dieses private Geschäft große Hoffnungen setzt. Bislang hat der malaysische Unternehmer fast alles richtig gemacht. 2003 bekam Au gemeinsam mit dem malaysischen Konzern Tanjong Halle und Grundstücke für 18,4 Millionen Euro. Das war weniger als ein Viertel der Baukosten der Halle. Das Know-how brachte Au mit: Der gelernte Chemieingenieur hat mit großen Dimensionen Erfahrung. Au arbeitete einst beim Ölmulti Exxon, baute später eine Kreuzfahrtlinie auf. In Malaysia, wo es brütend heiß ist, ist er Mitbetreiber einer Erlebnishalle, die angenehme Kühle verströmt.

Im meist kühlen märkischen Wald, etwa 50 Kilometer südlich von Berlin, soll das Prinzip genau umgekehrt funktionieren. Für die Touristen musste der Spreewald also wärmer gemacht werden, und zwar rund um die Uhr. 24 Stunden pro Tag und sieben Tage die Woche wird geöffnet. Mit beheizten Sonderangeboten soll die Tropenhalle optimal ausgelastet werden. 2,5 Millionen Besucher pro Jahr glaubt Au so anlocken zu können. Zwar seien nur 1,5 Millionen Besucher nötig, um schwarze Zahlen schreiben zu können, doch selbst das ist sehr ehrgeizig. Zum Vergleich: Der Europapark Rust, einer der größten seiner Art in Deutschland, benötigte etwa zehn Jahre, um auf diese Zahl zu kommen. Und die Skihalle im 70 Kilometer entfernten Senftenberg zog in ihrem ersten Jahr gerade mal 150.000 Besucher an.

Tropical Islands rechnet anders, nämlich mit vielen solventen Kunden: Die 80 bis 100 Euro, die eine vierköpfige Familie für einen Besuch am Wochenende berappen müsse, hält Colin Aus Sprecherin Vivian Kreft für einen günstigen Preis. „Für den Tierpark in Berlin zahlen Sie mittlerweile auch schon über 10 Euro Eintritt.“ Zudem sei im Eintrittspreis für die Inseln auch der Besuch des Musicals „Viva Brazil“ enthalten, das der Australier Kim Michael extra für das Tropenparadies produziert. Man will also am großen Rad drehen, sieht sich gar als Jobmaschine. Inklusive des Kaufpreises für das Gelände seien etwa 70 Millionen Euro investiert worden, mit der Eröffnung würden 500 Vollzeitstellen geschaffen, sagt Kreft.

Die Risiken dagegen verdunsten im Regenwald. Cornelia Behm, grüne Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, schimpft nicht allein über die „gigantische Energieverschwendung“, die die Dimension einer Kleinststadt habe. Steigende Öl- und Energiepreise würden außerdem die gesamte Finanzkalkulation hinfällig machen, sagt die Politikerin. Außerdem kritisiert sie die unzureichende Umweltverträglichkeitsprüfung des Landratsamtes. Sie sei „nicht sauber“ gewesen. Es werde wesentlich mehr für Heizung und Strom aufgewendet werden müssen als geplant.

Thomas Albertin, renommierter Berater für Tourismus- und Freizeitunternehmen, hält die Prognosen für Tropical Islands ebenfalls für überzogen. Mehr Bescheidenheit wäre dem Projekt zuträglich. Mit angepeilten 2,5 Millionen Besuchern pro Jahr „rauszugehen, halte ich für ungeschickt“, sagt er. Das werde auch nicht durch die nahe Bahnstrecke kompensiert. Kristiane Klemm vom Tourismus-Institut der Freien Universität Berlin hat nachgerechnet. Zum Erreichen dieser 2,5-Millionen-Größe, betont sie, „muss jeder Berliner über 14-mal innerhalb eines Jahres dahin gehen“. Ein aussichtsloses Unterfangen.

Für Albertin birgt ein solches Großprojekt aber noch andere Risiken. Tropical Islands werde in eine Landschaft hineingesetzt, zu der es keinen inhaltlichen Bezug gebe, kritisiert der Berater. Es könne schnell als Fremdkörper gesehen werden. Gleichwohl ist sich Albertin sicher, dass jemand mit Erfahrung in der Erlebnistouristik ein solches Projekt nicht von vornherein abzuschreiben braucht – wenn sich der große Besucherstrom langsam und über die Jahre entwickeln kann. Aber Paradiese haben bekanntlich kürzere Lebenszeiten.