: Studieren ohne Männerbrille
Gestern suchte ein Kongress in Dortmund nach einem Studium, das für Männer und Frauen gleichermaßen attraktiv ist. Die Ergebnisse sollen von EU und Akkreditierungsrat berücksichtigt werden
von SUSANNE KEIL
Wie müssen Textaufgaben in Mathematik aussehen, damit auch Frauen Lust haben, sie zu lösen? Und wie muss das Studium organisiert sein, damit es Studentinnen nicht stärker belastet als Studenten? Diese Fragen wurden gestern auf der Tagung „Gleichstellungsfragen bei der Akkreditierung von Studiengängen“ an der Fachhochschule Dortmund diskutiert.
Bereits bei der Konferenz der europäischen Bildungsminister im Herbst 2003 in Berlin wurde festgeschrieben, dass Geschlechtergerechtigkeit in den Hochschulen verankert werden muss. Und der Akkreditierungsrat, der die Kriterien für die Zulassung von Studiengängen in Deutschland festlegt, hat im April diesen Jahres beschlossen, Gender als Qualitätsmerkmal zu berücksichtigen. „Doch keiner weiß, was das genau heißt“, sagt Sigrid Michel, Professorin an der Fachhochschule Dortmund.
So hat die ehemalige Sprecherin der Bundeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den Hochschulen Expertinnen und Experten aus Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz zum Austausch nach Dortmund geladen. Dort wurden gestern alle Erkenntnisse, die bislang über Gender gewonnen werden konnten, zusammengetragen: Etwa, dass Studentinnen sich Wissen lieber exemplarisch in Projekten aneignen als Studenten und dass die Themenstellungen eine gesellschaftliche Relevanz haben sollten. Kinderbetreuung oder die Möglichkeit, in Teilzeit zu studieren, ist wichtig, damit Männer und Frauen ihr Studium mit der Familienarbeit verbinden können, und bei der Konzeption eines neuen Studiengangs können Vertreterinnen von Berufsverbänden von Frauen oder Unternehmerinnenorganisationen interessante Anregungen geben.
In die Diskussion, an der VertreterInnen des Wissenschaftsministeriums NRW und von Hochschulorganisationen, Gleichstellungsbeauftragte und ProfessorInnen teilnahmen, flossen unter anderem die Erfahrungen mit der internationalen Frauenuniversität im Rahmen der Expo 2000 in Hannover ein. Dort fand, wie Sigrid Metz-Göckel vom Netzwerk Frauenforschung NRW berichtete, die Auseinandersetzung mit den Projektbereichen Wasser, Migration, Information, Körper und Arbeit geschlechtssensibel statt. „Im Projektbereich Wasser wurde beispielsweise erarbeitet, dass die Nutzung des Wassers, der Zugang zu ihm und seine symbolische Bedeutung geschlechterrelevant sind“, erklärte Metz-Göckel. Auch die Ergebnisse von Untersuchungen zur Gesundheit von Studierenden wurden thematisiert. Denn laut Michel, die an der FH Dortmund Sozialmedizin und Psychopathologie lehrt, haben Studentinnen eher mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen als Studenten. „Das liegt oft daran, dass die universitären Aufgabenstellungen nicht dem entsprechen, was Frauen sich wünschen“, so Michel.
Aus den Ergebnissen der Tagung sollen zum einen Forschungssprojekte auf EU-Ebene entwickelt werden, zum anderen werden sie dem Akkreditierungsrat zur Verfügung gestellt. Ausgerechnet dieser Rat ist aber wieder männerdominiert: Unter den 17 Mitgliedern aus Hochschule, Politik, Berufspraxis und den Studierenden sind derzeit drei Frauen. Wenn das Gremium im Februar neu zusammengesetzt wird, gibt es mit einer Studentin sogar nur noch eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts. Die Tagungsteilnehmerinnen organisieren den Protest dagegen.