: Party und Patina
Wenn mal jemand auf die Hansestadt blickt: „Theaterlandschaften: Bremer Theater“ – Sonntag auf 3Sat – erinnert an wohlbekannte Historie
Bremen taz ■ Denk ich als Mainzer an Bremen in der Nacht – dann sehe ich Bilder von Auswandererschiffen, Werftenkrise, Bürgersinn und linkem Tohuwabohu auf den Straßen. Denk ich als Bremer an Bremen in der Nacht – so träumt man doch ganz andere Bilder. Wenn aber morgen (Sonntag, 19. Dezember, 14.30 Uhr) mit „Theaterlandschaften: Bremer Theater“ die 33. Folge der Bühnenporträtserie auf 3sat gezeigt wird, bekommt ganz Deutschland die zu Klischees geronnene Historie der Hansestadt mit den üblichen verdächtigen Köpfen der Theatergeschichte zu Gesicht.
So wolle man die „Wechselwirkung zwischen dem Bühnengeschehen und der Seele der Stadt dokumentieren“, sagt Redaktionsleiter Wolfgang Bergmann. Weil Schüler in den wilden Sechzigern auf den Bremer Straßenbahnschienen demonstrierten, woran sich Ortsamtsleiter Robert Bücking erinnern darf, und das Theater „im Zentrum der Protestkultur“ lag, fand in Bremen „eine Revolution des zeitgenössischen Theaters statt“ (Bergmann).
Diese ruhmreiche Zeit der Intendanz Kurt Hübners nimmt denn auch gleich 80 Prozent der Sendezeit ein. Die aktuelle Theaterarbeit von Intendant Klaus Pierwoß nur schnell als profiliert, vielfältig und spannend bezeichnet. Argumente: Fehlanzeige. Was der Zuschauer lernt? In Bremen ging mal echt die Post ab, jetzt aber wurde das Goethetheater schick renoviert. „Die Zeit für große Impulse ist vorbei“, wird mit entschuldigender Resignation behauptet.
Resigniert wirken auch die üblichen Talking Heads, die zum soundsovielten Mal ihre Bremen-Erinnerungen hervorkramen. Schauspieler Bruno Ganz: „Wir wussten, das wir der Fortschritt sind“. Judy Winter: „Ich habe mich abartig geschämt.“ Peter Zadek: „Meine Wohnung hinterm Theater war sechs Jahre lang eine Party.“ Hans Koschnick preist die „Durchlüftung des gesellschaftlichen Klimas“. Henning Scherf: „Ich habe den ,Tasso‘ (Peter Steins Goethe-Inszenierung, die Red.) mit meiner Mutter gesehen und war völlig verzaubert.“ Noch mehr schwärmt der Bürgermeister aber über die Zeit, als Bürgersinn noch monetär messbar war: statt durch Subventionen wurde die Kultur durch vermögende Kaufleute finanziert.
Präsentiert wird die TV-Sendung von Esther Schweins: Saftbarbesitzerin, Comedy-Star, Regisseurin, „Leute von heute“-Spalten-Schönheit, Schauspielerin, Stimmengeberin von Shreks Prinzessin Fiona. Zumeist aus attraktiver Untersicht gefilmt schlendert Schweins durch Reiseführerszenarien, lächelt Texte in die Kamera. Um diese Szenen herum feiert die TV-Schnipselästhetik turbulente Urständ. Verwirrend kurze Ausschnitte aus historischem Filmmaterial und abgefilmten Theaterinszenierungen, alles hektisch collagiert. Vom ersten Theaterbau Bremens (1792) über die Nazizeit bis hin zu Hans Kresniks Karl Kraus-Inszenierung im U-Boot-Bunker „Valentin“ braucht’s keine zwei Minuten. fis