: Länder am Scheideweg
Das Scheitern der Förderalismusreform ist schlecht für Bremen, sagt MdB Volker Kröning. Hoffnungen auf neue Finanzhilfen für 2005 sieht er nicht
Bremen taz ■ Der Bremer Bundestagsabgeordnete Volker Kröning war als „Obmann der SPD-Fraktion“ in der Föderalismuskommission. Wir fragten ihn nach der Bedeutung ihres Scheiterns – auch für Bremen.
taz: Die große Reform der bundesstaatlichen Ordnung ist gescheitert am Streit um Kompetenzen in der Schulpolitik. Das ist doch grotesk.
Volker Kröning: Beiden Verhandlungsführern fehlte es zum Schluss an hinreichender Unterstützung. Stoiber war umklammert von Roland Koch und es gab im Länderkreis kein sozialdemokratisches Widerlager. Franz Müntefering hatte bei einigen Fragen Schwierigkeiten in der Koalition. Die Grünen waren sehr stark gegen das von den Ländern geforderte Abweichungsrecht, das etwa beim Umweltrecht Sonderregelungen erlaubt hätte. Da hat sich in den letzten Tagen ein nicht vorhersehbares Knäuel gebildet.
War das schlechtes Verhandlungsmanagement?
Ich meine, dass die Länder nicht abschlussfähig waren. Die Scharfmacher hatten eine Veto-Minderheit, die Mehrheit war nicht hinreichend organisiert. Die Länder haben sich einen Bärendienst erwiesen, besonders die schwächeren Länder.
Ist das Scheitern der Kommission schlecht für Bremen?
Bremen hat ein großes Interesse an der Kompetenztrennung zwischen dem Bund und den Ländern und an einem Plus an Finanzausstattung. Auch ohne die von mir ins Spiel gebrachte Umwandlung der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur, die faktisch ein Strang der Ost-Förderung geworden ist, in eine Finanzhilfe, die über den Osten hinaus zu nutzen gewesen wäre. Im Falle eines Erfolges wäre die Zeit zwischen dem Inkrafttreten der Reform im Jahre 2006 und der nächsten tiefen Zäsur 2019, dem Ende des vor drei Jahren beschlossenen bundesstaatlichen Finanzausgleichs, eine Versuchsstrecke des Föderalismus geworden. Wir drohen in einen Zwei-Klassen-Föderalismus zu geraten. Eine Gruppe von Ländern traut sich mehr Rechte und Pflichten zu, mehr Selbständigkeit. Dazu gehören nicht nur Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, das könnten sich auch die Stadtstaaten zutrauen. Wir sind an einem Scheidepunkt. Misslingt diese Reform, und das ist wahrscheinlich, dann ist der klassische Föderalismus am Ende. Wir geraten immer mehr in einen Verwaltungsföderalismus. Der Bund wird sich auf andere Weise durchsetzen, die Länder werden mehr und mehr zu regionalen Verwaltungseinheiten.
Der Länderfinanzausgleich bleibt im Finanzausgleichgesetz bis 2019 festgezurrt – hat dann Bremen eine Chance? Dann gibt es doch Bremen in dieser Form nicht mehr!
Finanzausgleich und Länderneugliederung waren bei der Kommission von vornherein ausgenommen. Neben meiner Initiative gab es den Versuch von Berlin, seine Rolle als Hauptstadt mit einer entsprechenden Finanzausstattung zu garantieren. Doch das wurde weder von Bremen noch von Hamburg begleitet durch ein Konzept der Absicherung der Stadtstaaten.
Die Föderalismus-Reform sollte die Handlungsunfähigkeit der Bundes- und der Länderebene reduzieren. Gibt es noch eine Chance?
Nur eine hauchdünne. Die Aussicht auf die nötige Zweidrittel-mehrheit gibt es nur bei einer Verständigung von SPD und CDU und unter den wesentlichen Bundesländern. Das ist angesichts der Wahlkämpfe 2005 und 2006 unwahrscheinlich.
Was, schätzen Sie, wird Ende Januar als Ergebnis der Gespräche über den Kanzlerbrief herauskommen?
Nichts.
Nicht einmal zusätzliche Investitionshilfen?
Die können nur in Umschichtungen innerhalb des Bundeshaushaltes bestehen. Der Haushalt 2005 ist beschlossen. Für 2006 müsste dies bei der Bundesregierung und dann beim Bundestag beantragt werden. Int: kawe