: „Politik ist keine Arbeit, sondern Hobby“
Der EU-Parlamentarier Elmar Brok findet es nicht anstößig, wenn Politiker gleichzeitig für Großkonzerne arbeiten. Vorausgesetzt, sie geben ihre Tätigkeiten an. Brok selbst würde auf seinen Job bei Bertelsmann keinesfalls verzichten
taz: Herr Brok, Sie sind einer der Politiker, die nebenher einen Zweitberuf ausüben …
Elmar Brok: … stimmt, aber warum befragen Sie ausgerechnet mich?
Weil Sie nicht nur als CDU-Abgeordneter im Europaparlament sitzen und dort den auswärtigen Ausschuss leiten, sondern auch noch „Senior Vice President“ des Bereiches „Media Development“ bei der Bertelsmann AG sind.
Sie sind nicht die ersten, die das entdecken. Als ich den Posten vor 13 Jahren antrat, habe ich sofort eine Presseerklärung dazu veröffentlicht. Manchmal ärgert mich das: Weil ich so offen war, werde ich jetzt immer wieder zu meiner Nebentätigkeit befragt.
Wahrscheinlich weil sich jeder wundert, wie Sie das eigentlich schaffen: Ihr Mandat, Ihre Parteiämter – und dann auch noch Bertelsmann?
Indem ich 15 bis 18 Stunden täglich arbeite. Ich mache Fehler, aber mangelnden Fleiß hat mir noch niemand vorgeworfen. Es gibt viele, die so viel arbeiten – Journalisten doch auch.
Jedenfalls behaupten das manche von sich.
Außerdem betrachte ich Politik nicht als Arbeit. Das ist etwas, was man vorher viele, viele Jahre ehrenamtlich betrieben hat. Ein Hobby, für das man jetzt Geld bekommt. Ohne diese Leidenschaft würde man den Politikbetrieb gar nicht durchhalten, zum Beispiel die ganzen Wochenendtermine im Wahlkreis.
Aber dann muss es Sie doch stören, dass Ihre Leidenschaft ein derart schlechtes Image hat. Niemand gilt als so korrupt wie die Politiker.
Gemeinsam mit Journalisten und Rechtsanwälten. Überall gibt es faule Fische, aber nur die Politik steht im Rampenlicht, nur bei Politikern wird öffentlich verallgemeinert mit der Konsequenz, dass es immer schwerer wird, guten Nachwuchs zu finden.
Was sagen Sie zu den Abfindungen, die Laurenz Meyer kassiert hat? Ist es richtig, dass er sich jetzt gezwungen sah, zurückzutreten?
Laurenz Meyer war rund 25 Jahre – also lange vor einem bezahlten politischen Mandat – Angestellter dieses Unternehmens, damals VEW, und hat damit seine Familie ernährt. Er hat meines Wissens nicht gegen das Recht verstoßen. Gegen den öffentlichen Druck hatte er aber keine Chance.
Trotzdem könnte Transparenz nicht schaden. Was halten Sie vom Vorschlag der SPD-Ministerpräsidenten Steinbrück und Beck, dass nicht nur die Nebentätigkeiten angegeben werden müssen – sondern auch die Höhe der Einkünfte?
Das mache ich sofort. Aber nur wenn Journalisten und Beamten auch ihre Nebentätigkeiten angeben müssen. Irgendwo habe ich gelesen, dass der Parteienkritiker Herbert von Arnim rund 300.000 Mark an Nebeneinkünften versteuert hat. Er wird als vollberuflicher Professor bezahlt und hat offensichtlich trotzdem Zeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen während der Arbeitszeit.
Immerhin hat er sie versteuert.
Mal im Ernst: Es ist völlig klar, dass Abgeordnete ihre Tätigkeiten angeben müssen. Bei mir steht das alles im Register und – freiwillig – im Internet des EP. In London fängt das Parlament erst nachmittags an – weil selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass jeder einen Beruf ausübt. Wenn sich ein Abgeordneter zu einer Frage äußert, die auch seinen Job berührt, dann beginnt er seine Rede mit: „I declare my interest“. So kann sich jeder ein Bild machen, was er von den Argumenten hält. Ich selbst nehme an Diskussionen und Abstimmungen zur Medienpolitik im Europäischen Parlament und in der Fraktion nicht teil, obwohl es rechtlich nicht vorgeschrieben ist.
Für Minister gilt längst, dass sie nebenher keine weiteren Tätigkeiten ausüben dürfen – warum nicht auch für Abgeordnete?
Minister fällen administrative Entscheidungen in Einzelfällen. Ich bin jetzt seit 25 Jahren Parlamentarier. Ohne meine berufliche Tätigkeit würde ich den Bezug zur „realen Welt“ missen. Außerdem werden die Leute abhängig, die kein zweites Standbein haben – das zeigt sich immer, wenn die Wahllisten aufgestellt werden. Was will man denn machen als Abgeordneter, wenn man zum Beispiel 50 Jahre alt ist, noch nicht in Rente kann und Kinder hat, die studieren? Dann will man unbedingt zurück ins Parlament und ist doch sehr auf Wohlwollen angewiesen. Es gibt eben immer ein Für und Wider. Im Übrigen hat mein Unternehmen nie versucht, meine politischen Entscheidungen zu beeinflussen.
Haben Sie einen Ratschlag für jüngere Kollegen?
Ich gebe keine Ratschläge.
INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN