: Eine Steckdose für die Königin
LANDSTROM Hamburg will die Schiffe im Hafen künftig mit sauberem Strom versorgen. Bisher verpesten deren Diesel die Luft mit Rückständen aus Schweröl. Vorbild ist Lübeck
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Aus Steckdosen sollen künftig Schiffe im Hamburger Hafen mit Strom versorgt werden. Das beschloss die Bürgerschaft am Mittwochabend mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU und GAL. Die Linke enthielt sich, die SPD stimmte mit Nein, weil sie den schwarz-grünen Antrag halbherzig findet. Mit Landstrom kann die Schadstoffbelastung im Hafen um bis zu 90 Prozent gesenkt werden.
Auf längere Sicht sollen alle Terminals mit einer Steckdose für Schiffe ausgerüstet werden, vordringlich aber die beiden Kreuzfahrterminals in der Hafencity und in Altona. Denn mehr noch als Containerriesen sind die großen Passagierschiffe ökologische Monstren. Klimaanlagen, Schwimmbäder, Restaurants und Kabinen für 3.000 und mehr Menschen führen zu einem gewaltigen Energiebedarf von Riesenschiffen wie der „Queen Mary 2“. Im Standby-Betrieb an der Kaimauer verbrauchen Luxusliner dieser Größe pro Tag so viel Elektrizität wie eine Stadt von 200.000 Einwohnern. Hamburg rechnet für dieses Jahr mit 120 Kreuzfahrtschiffen, 2015 sollen es 250 sein.
Den Bordstrom im Hafen erzeugen die Schiffe mit Dieselgeneratoren, die Schweröl verbrennen. Dieser Stoff fällt als Rückstand in Ölraffinerien an, ist deshalb sehr billig und hoch giftig. „An Land müssten Schiffe wie Sondermüllanlagen behandelt werden“, zürnen Umweltorganisationen seit langem.
Vorbild für die Hamburger Pläne ist Lübeck, das als erster deutscher Hafen im August 2008 eine Landstromversorgung in Betrieb genommen hatte – dem Vorort und Fährhafen Travemünde drohte die Aberkennung des Titels „Ostseeheilbad“, weil die Emissionen der Schiffe die Qualität von Luft und Wasser massiv beeinträchtigten. Im größten Ostseehafen Deutschlands verursachte der Schiffsverkehr 95 Prozent der Emissionen an Schwefel, 78 Prozent der Stickoxide und 65 Prozent des Feinstaubs. Für 1,5 Millionen Euro wurden darum drei Liegeplätze eingerichtet, an denen sich die Schiffe – kostenpflichtig – mit Elektrizität versorgen können. Eine Bilanz des ersten Landstromjahres wird im Herbst erwartet.
In Hamburg will die Umweltbehörde bis Ende Juni eine Machbarkeitsstudie vorlegen – auf der Basis eines Gutachtens des Schiffs-TÜV Germanischer Lloyd. Zur nächsten Kreuzfahrtsaison in einem Jahr könnten dann die ersten Schiffssteckdosen installiert sein – bis dahin sollen normierte Anschlüsse EU-weit definiert sein. Der Strom soll aus Erdgas und Brennstoffzellen erzeugt werden.
„Einer Verbesserung der Luft- und Lebensqualität im Hafen und Umgebung“, heißt es frohgemut in dem gestern beschlossenen Antrag, „steht somit nichts mehr im Wege“.