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Archiv-Artikel

Medien schlagen Wellen

Ob geschrieben oder gesprochen – der Schrecken der Opferzahl „24.000“ (?) verblasst. Deshalb kümmern sich die Medien am Rande der Flutkatastrophe wieder um ihr Lieblingsthema: Medien

VON HANNAH PILARCZYK

Wenn man großzügig rechnet, war es ein voller Tag. Von Samstagnacht bis Sonntagnacht zählten die deutschen Medien noch Opfer, vermaßen Schäden, verkündeten Spenden-Kontonummern. Dann ging die Puste aus. Jedenfalls ein wenig. Wie weiter über die Flutkatastrophe in Asien berichten, wenn der Schrecken weg, aber das Verständnis noch nicht da ist? Innehalten gilt nicht, schon gar nicht in der medialen Aufgeregtheitsökonomie.

„Katastrophale Berichterstattung deutscher Sender“ vermeldete Spiegel online am Montag. Und die Süddeutsche Zeitung forderte mehr „Anfangsberichterstattung“, wenn „zentrale Urlaubsziele der Deutschen“ überschwemmt und verwüstet worden seien. Die Katastrophe also keine Katastrophe mehr? Die Berichterstattung über sie der eigentliche GAU? Nein, die Katastrophe war nur nicht früh genug als Katastrophe gesendet worden. „Das Beben in Südostasien begann um 1.59 Uhr Mitteleuropäischer Zeit – die deutschen Nachrichtensender schalteten sich jedoch erst ab 11.30 Uhr ein. ARD und ZDF waren noch später im Bild“, lautet der Vorwurf von spiegel.de. Das insinuiert neun verschlafene Nachrichtenstunden, in denen über Asien das Unheil, über deutsche Nachrichtenredaktionen aber die Unwissenheit hereinbrach.

Tatsächlich ging erst um 5.36 Uhr am Sonntagmorgen die erste Meldung zum Unglück über die Ticker. „Flutwelle reist Touristen auf Thailands Ferieninsel Phuket ins Meer“, brachte die französische Nachrichtenagentur AFP als Eilmeldung. Noch kein Grund, Programmpläne umzuschmeißen und live auf Sendung zu gehen. „Mehr als 550 Tote nach Erdbeben und Flutwellen in Südasien“, hieß es um 9.45 Uhr bei der dpa. Ab da lief der kurze Countdown zur ersten Live-Schalte.

Was es bedurfte, damit die Nachrichtenmaschinerie in Gang geriet? Natürlich auch der kritischen Opfer-Masse von mehr als 100 – alles andere wird schließlich von Meyer und Merkel locker gestochen. Aber eben auch der Versicherung von Korrespondenten vor Ort, die das Geschehen über die bloße Meldung hinaus persönlich einschätzen und beschreiben. Das ist die journalistische Eigenleistung, die man von seriösen Sendern und Zeitungen erwarten muss. Und die diesmal einige Zeit dauerte, bis sie erbracht wurde, weil die deutschen Sender weder Mann noch Frau vor Ort hatten und sie erst hinschicken mussten. Als dies geschehen war, konnten die öffentlich-rechtlichen Programmplaner die Endloskette von heute-spezial-tagesschau-Brennpunkten einfädeln. Grundversorgung, endlich. Aber Grundverständnis für das Geschehene? Das kommt noch viel später. Vielleicht auch gar nicht. Und dann bestimmt auch nicht im Fernsehen.