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Archiv-Artikel

Kadi will Senatoren nicht sehen

Gericht: In der Tempodrom-Affäre haben Strieder und Sarrazin das Parlament bewusst umgangen. Für einen Prozess reiche das aber nicht. So bleibt unklar, ob die SPD-Politiker Geld veruntreut haben

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Peter Strieder und Thilo Sarrazin sind noch einmal davon gekommen. Die beiden Berliner SPD-Politiker müssen sich womöglich doch nicht wegen der Affäre um das Tempodrom vor Gericht verantworten. Das Landgericht entschied gestern, die erhobenen Anklagen gegen Ex-SPD-Landeschef und -Senator Strieder sowie Finanzsenator Sarrazin nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen. Dagegen legte die Generalstaatsanwaltschaft sofort Beschwerde ein. Die Ermittlungen waren durch eine Strafanzeige der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus in Gang gesetzt worden.

Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister (SPD), begrüßte hingegen den Beschluss. „Der Senat von Berlin fühlt sich in seiner Auffassung bestätigt, dass seine im Zusammenhang mit dem Tempodrom getroffenen Entscheidungen richtig waren“, ließ Wowereit gestern per Pressemitteilung verbreiten. Die Geschichte des Tempodroms sei „kein Ruhmesblatt der Berliner Politik“ räumte er ein, vielmehr sei sie ein Beispiel für die „Notwendigkeit des Mentalitätswechsels“.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem wegen der Affäre als Senator zurückgetretenen Strieder sowie Sarrazin vor, gemeinschaftlich Untreue zu Lasten Berlins begangen zu haben. So sollen beide unter bewusster Umgehung des Abgeordnetenhauses einen Zuschuss für die Stiftung Neues Tempodrom in Höhe von 1,5 Millionen Euro aus Mitteln der Investitionsbank Berlin (IBB) angewiesen haben. Entsprechend niedriger soll der Beitrag der IBB zum Berliner Landeshaushalt ausgefallen sein.

Die Wirtschaftskammer des Landgerichts entschied jedoch, die beiden Politiker hätten zwar ihre Pflicht verletzt, denn durch die Bereitstellung der IBB-Mittel für das Tempodrom sei der Wille des Abgeordnetenhauses missachtet worden. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der IBB im Jahr 2002 wäre es aber auch ohne die Zahlung für das Tempodrom nicht zu einem Bankbeitrag an den Landeshaushalt gekommen. Deshalb sei dem Land kein wirklicher Schaden entstanden. Über die eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft muss nun das Kammergericht entscheiden.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft teilte mit, die Anklagebehörde halte ungeachtet des Gerichtsbeschlusses an ihren Vorwürfen gegen die Politiker fest.

Sarrazin zeigte sich erleichtert über den Beschluss: „Die Gerichtsentscheidung bestätigt das, was ich in der Sache immer erklärt habe.“ Dagegen meinte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Michael Braun, dass das Gericht mit seiner Entscheidung Strieder und Sarrazin „eine schallende Ohrfeige“ verpasst habe. Denn das Landgericht habe in seiner Entscheidung festgestellt, dass beide ihren „Vermögensbetreuungspflichten nicht nachgekommen sind“. Der Straftatbestand der Untreue sei offenbar nur deshalb nicht erfüllt, kommentierte Braun den Gerichtsentscheid, weil die IBB ohnehin keinen Gewinn erwirtschaftet hatte.

Im Zusammenhang mit dem Millionendesaster um den Tempodrom-Neubau in Kreuzberg war vor allem Strieder vorgeworfen worden, dem Projekt mehrfach zu Finanzspritzen des Landes verholfen zu haben, obwohl sich das Bauprojekt längst in einer finanziellen Schieflage befand. Berlin hatte mit 10 Millionen Euro für den Bau des Veranstaltungszentrums gebürgt, dessen Errichtung mit 30 Millionen Euro wesentlich teurer war als ursprünglich veranschlagt.