: Agenturschluss wird verlängert
Zur Begrüßung von Hartz IV wird vor den Arbeitsagenturen im Ruhrgebiet demonstriert. Lahm gelegt wird die Behörde dadurch aber nicht. NRW-Arbeitsminister Harald Schartau sieht guten Reformstart
VON KLAUS JANSEN,MANFRED WIECZOREKUND NATALIE WIESMANN
Welchen Eingang die DemonstrantInnen auch wählen – die Polizei ist schon da. Wer einen Termin hat, darf rein. Die anderen nicht. Aus der geplanten „Erwerbslosen-Vollversammlung“ zur Begrüßung von Hartz IV in der Oberhausener Agentur für Arbeit wird nichts. Die DemonstrantInnen müssen vor der Tür stehen bleiben, wenigstens leidlich warm gehalten von einer Trommelgruppe und Feuer-Performance. Zwei Stunden später löst die Polizei die Versammlung auf.
„Heute war Großkampftag“, sagt Mag Wompel. Wompel ist Koordinatorin der Aktion Agenturschluss, mit der gestern bundesweit der Betrieb der Arbeitsagenturen lahm gelegt werden sollte. Weil die Arbeitsagentur „keine Existenzberechtigung hat und geschlossen werden muss“, wie es in den Flugblättern der Organisatoren heißt. Weil Hartz IV Schikane, Ausbeutung, Arbeitszwang bedeutet, wie die DemonstrantInnen sagen.
Großkampftag? Werner Marquis hat davon nicht viel gemerkt: „Der Dienstbetrieb ist in keiner Weise gestört worden“, sagt der Sprecher der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. Auch NRW-Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) spricht bei seinem Besuch in der Mülheimer Sozialagentur von einem geglückten ersten Tag. Für die Demonstrierenden zeigt er Verständnis: „Die halten den Finger auf die Wunden, die stören nicht.“ Doch bei seinem Eintreffen sind diese noch gar nicht da. Schartau lässt sich statt dessen durch die Räume der Sozialagentur führen. Mülheim hat sich für das so genannte Optionsmodell von Hartz IV entschieden, die gesamte Betreuung der Arbeitssuchenden obliegt der Kommune. Die Botschaft lautet: Hier ist die Welt in Ordnung. Alles ist frisch renoviert, die Case-Manager lächeln, am Empfang keine aufgebrachten ALG-II-Bezieher. Denn selbst wenn die an diesem Morgen noch kein Geld auf dem Konto vorgefunden haben, bekommen sie von der Sparkasse die Unterstützung bar ausbezahlt, verkündet die strahlende Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld.
Ob der Andrang um acht Uhr morgens vor der Arbeitsagentur in Dortmund wegen der Barauszahlung so groß ist? Knapp fünf Prozent der ALG-II-Empfänger der Stadt haben wegen einer Computerpanne ihre Stütze nicht überwiesen bekommen. Noch in der Dunkelheit strömen über hundert Kunden in die Arbeitsagentur, zur Beratung, zur Information. Aufgehalten werden sie von den knapp sechzig DemonstrantInnen vor der Tür nicht. „Wenn wir genug Leute wären, würden wir den Laden dicht machen“, sagt ein Mann mit einer Ver.di-Fahne. Es sind nicht genug Leute. Sachbearbeiter der Arbeitsagentur beobachten die Szenerie neugierig, versteckt hinter Gummibäumen, Yuccapalmen und Aktenordnern, die die Fensterbänke in den oberen Etagen des hellen Klinkerbaus zieren. Gewalt haben sie nicht zu fürchten.
Auch in anderen Städten beschränken sich die Hartz-Gegner auf symbolische Sabotage: In Münster versaut eine Stinkbombe im Briefkasten die Luft der Arbeitsagentur, in Wuppertal sorgt ein Radbagger für Aufregung. Mit dem geliehenen Gefährt versucht eine Demonstrantin, den Eingang zu blockieren. Der Bagger wird konfisziert, die Frau vorübergehend festgenommen – der einzige sichtbare Schaden an Tag I von Hartz IV.