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Archiv-Artikel

Revolutionäre leben gefährlich

betr.: taz-Kampagne zur Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße

Den Vorschlag, die Kochstraße nach Rudi Dutschke umzubenennen, finde ich gut. Eine kleine Frage am Rande verbleibt aber trotzdem: Warum muss eigentlich der sperrige Name „Rudi-Dutschke-Straße“ sein? Früher ging es doch auch ohne Vornamen. So richtig habe ich deshalb nie verstanden, dass grundsätzlich nach Personen benannte Straßen auch einen, gegebenenfalls sogar mehrere Vornamen und teilweise auch Titel enthalten. (Mein Horror wäre ja, irgendwann einmal in der „Dr.-Helmut-Kohl-Straße“ zu wohnen, aber das ist ein anderes Thema). AXEL STEIN, Berlin

Ihr Vorschlag verwundert und ärgert mich. Verwundert, weil R. Dutschke schon längst vergessen ist und nur von gewissen Medien noch hin und wieder publizistisch künstlich beatmet wird. Seine Frau Gretchen wird wohl noch ab und zu an ihn denken, denn er hinterließ ihr (als Sozialist!) noch nicht einmal eine ordentliche Lebensversicherung. Er hätte wissen müssen, dass Revolutionäre gefährlich leben. Ärgerlich, weil jemandes gedacht werden soll, der nichts als Unfrieden und Hetze verbreitet hat und, wie Altkanzler Schmidt kürzlich sagte, für die einzigen blutigen Straßenschlachten seit 1945 mitverantwortlich war. MICHAEL KANNO, Berlin

Dazu, dass die CDU die Straßenumbenennung von Kochstraße zur Rudi-Dutschke-Straße ablehnt, weil er ein Aufständiger war, muss ich sagen: Frau Merkel, „Willkommen in der ehemaligen DDR“! Schon allein die Verteilung der Maulkörbe an verdienende Politiker lässt unumstritten durchblicken, in welche Richtung die CDU marschiert. Und die Absahnerqualitäten ihrer Parteimitglieder lassen erkennen, dass ein Urteilsvermögen über Demokratie zurzeit sehr in Abrede gestellt werden kann. Ich will die CDU gar nicht erst danach fragen, welche moralischen Voraussetzungen ein Demonstrantenführer mitbringen muss, um eine bornierte Politik zur Umkehr zu bewegen. PETER RENTZSCH, Berlin

Sie schreiben in Ihrem Antrag auf Umbenennung der Kochstraße: „Allerdings kennt heute kaum noch jemand den Namensgeber der Kochstraße, einer zentralen Straße übrigens im alten Zeitungsviertel Berlins. An diese Tradition des Zeitungsviertels, die Wichtigkeit einer breiten Zeitungslandschaft und kritischen Gegenöffentlichkeit, würde der Name Rudi-Dutschke-Straße erinnern.“

Diese Argumentation scheint mir etwas schief geraten. Es geht doch nicht um Johann Jakob Koch, sondern um die in aller Welt bekannte Kochstraße des liberalen Zeitungsviertels (Ullstein etc.), und sie steht nicht so sehr für „Gegenöffentlichkeit“ als für „Öffentlichkeit“. Dass speziell der Name Rudi Dutschke uns an die großen alten Berliner Zeitungen erinnern würde, scheint mir doch eine merkwürdige Annahme. Bei aller Achtung für und liebevollen Erinnerung an Rudi Dutschke, und bei allem Verständnis für Ihren Wunsch, das „Rudi-Dutschke-Haus“ möge an einer „Rudi-Dutschke-Straße“ liegen (vielleicht als später Nasenstüber für Axel Springer): Der Name „Kochstraße“ steht keineswegs nur für Axel Springer und seine Verranntheiten in den Sechzigerjahren, sondern vor allem für die kämpferische Presse der Kaiser- und Weimarer Zeit, kämpferisch für Völkerversöhnung (Vossische Zeitung), gegen „rechts“ und gegen die Aushöhlung der Demokratie. Ich wäre sehr dafür, dass nach Rudi Dutschke eine große, bekannte und belebte Straße benannt wird, an der viele Menschen wohnen – aber warum ausgerechnet die Kochstraße? STEN NADOLNY, Berlin