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Archiv-Artikel

MERKEL IST IN DER DEFENSIVE – DAS LIEGT NICHT NUR AN DER FLUT Kein Konzept, kein Personal

Es wäre zynisch, die CDU-Vorsitzende ein Flutopfer zu nennen, aber natürlich hat die Katastrophe im Indischen Ozean auch Auswirkungen auf die deutsche Innenpolitik – und Angela Merkel. Darum hat auch sie unser Mitleid verdient. Hätte es die Flut- und anschließende Spendenwelle nicht gegeben, würde in diesen Tagen nicht über die Opfer in Asien, sondern über die Verlierer von Hartz IV berichtet. Statt der aktuellen Vermisstenzahlen stünde die jüngste Arbeitslosenstatistik oben auf den Titelseiten. Und Merkel könnte ins neue Jahr starten, wie sie es sich vorgenommen hatte: mit frontalen Angriffen auf die Regierung. So aber ist sie zum Zuschauen verdammt. Der Kanzler erweckt geschickt den Eindruck, als gäbe es in Deutschland keine Parteien mehr, sondern nur noch Spender. Was Merkel übrig bleibt, ist, am Sonntag mit zum Gedenkgottesdienst für die Flutopfer zu gehen und abzuwarten.

Merkels Ausgangsposition vor den anstehenden Landtagswahlen ist also, notgedrungen, schwierig. Ihr eigentliches Problem liegt jedoch darin, dass sich ihre Lage kaum verbessern dürfte, selbst wenn das Interesse an der Flut und ihren Folgen nachlässt. Denn dann wird erst richtig deutlich werden, wie schlecht Merkel auf das neue Jahr vorbereitet ist. Ihr Gesundheitskonzept verstehen die eigenen Leute nicht. Ihre Personalpolitik noch weniger. Selbst ihr einziger Freund in der CSU, Michel Glos, hat es nun offen ausgesprochen: Gehen die Wahlen in NRW und Schleswig-Holstein für die CDU verloren, wird Merkels Führungsanspruch schwinden.

Der Wunsch ihres neuen Generalsekretärs Volker Kauder nach einer Union als „verschworener Gemeinschaft treuer Freunde“ wirkt schon jetzt wie ein Witz. Hätte es noch eines Beweises bedurft, wie wenige Mitstreiter Merkel hat, so liefert ihn die Suche nach einem neuen Geschäftsführer der Fraktion. Mutig wäre es, einen jungen, interessanten Kopf zu präsentieren. Stattdessen gilt Helmut Kohls „Rote Socken“-Jäger Peter Hintze als Favorit, den die Partei zuletzt nicht einmal mehr im Vorstand wollte. Für die Auseinandersetzung mit Rot-Grün und die Vorbereitung ihrer Kanzlerkandidatur mangelt es Merkel an Konzepten und Personen.

LUKAS WALLRAFF